21.09.2022 – Fachtagung "Leben und Sterben": Trauer am Arbeitsplatz

Auditorium von hinten

 

Die 23. Fachtagung “Leben und Sterben – Trauer am Arbeitsplatz” fand am 21. September 2022 in Frankfurt am Main statt. Sie wurde von der HAGE, Arbeitsbereich KASA, und dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) gemeinsam durchgeführt. 

Bereits seit 1996 findet in Hessen nahezu jährlich die Fachtagung “Leben und Sterben” des Hessischen Ministeriums für Soziales und Integration (HMSI) statt. Die Tagung umfasst ganz unterschiedlichen Themen, die von den Mitgliedern der Arbeitsgruppe “Verbesserung der Sterbebegleitung” bei der Hessischen Landesregierung festgelegt werden. Die Themen werden so ausgewählt, dass sie Impulse für die aktive Arbeit vor Ort geben können. Die Fachtagungen dienen dabei insbesondere als Austauschplattform für die Akteur*innen in der Hospiz- und Palliativarbeit, um sich zu treffen, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich kennenzulernen. Umso schöner war es, dass die diesjährige Fachtagung wieder in Präsenz stattfinden konnte.

Die 23. Fachtagung “Leben und Sterben" wurde von der HAGE, Arbeitsbereich KASA - Koordinations- und Ansprechstelle für Dienste der Sterbebegleitung und Angehörigenbetreuung in Hessen, organisiert. Sie befasste sich mit dem Thema "Trauer am Arbeitsplatz”, 85 Personen aus ganz unterschiedlichen Arbeitsfeldern nahmen an der Veranstaltung teil. In Vorträgen fand eine Annäherung an das Thema statt, am Nachmittag stellten Referent*innen den Umgang mit Trauer am Arbeitsplatz in unterschiedlichen Arbeitsfeldern direkt aus der Praxis vor.

Das Thema: Trauer am Arbeitsplatz

Bei dem Thema “Trauer am Arbeitsplatz” geht es nicht um die Trauerbegleitung, die wir als Hauptberufliche und Ehrenamtliche trauernden Menschen anbieten. Vielmehr geht es um die eigene Trauer am Arbeitsplatz, die wir als Mitarbeitende selbst erleben.

Wie viel Trauer lassen wir zu, wenn ein Kollege verstirbt, ein Vorstandsmitglied, eine Angehörige oder ein Kind einer Kollegin tödlich verunglückt? Wie ist es mit der eigenen Trauer um diejenigen, die wir intensiv in stationären Pflegeeinrichtungen, in der Klinik, in Beratungsstellen, zu Hause oder an anderen Orten begleitet haben und die uns sehr nahestanden?

Als Expert*innen im Bereich der Hospiz- und Palliativbewegung kennen wir uns mit dem Thema „Trauer“ aus. Wir begleiten andere, unterstützen sie und hören zu. Aber wie gehen wir mit uns selbst am Arbeitsplatz um, wenn wir oder Teamkolleg*innen trauern? Haben wir Konzepte in den Vereinen, Institutionen oder unseren Arbeitsstellen?

Diesen Fragestellungen näherte sich die 23. Fachtagung “Leben und Sterben” an.

Die Vorträge

  • Trauer am Arbeitsplatz – Petra Sutor

    Wenn die Themen “Sterben, Tod und Trauer”, aber auch andere tiefgreifende emotionale Lebenseinschnitte – und damit eng verbunden Traumata – plötzlich im Arbeitsalltag auftreten, sind die Mitarbeiter*innen oft verunsichert. Es fehlen Strukturen und Rituale, wie alle Beteiligten am besten mit solch einer Situation umgehen können, wenngleich diejenigen, die mit Sterben, Tod und Trauer in ihrem Arbeitsalltag zu tun haben, sich eigentlich als Expert*innen verstehen. Trauer ist in diesem Arbeitsumfeld ein vertrautes Thema.

    Petra Sutor ist eine erfahrene Trauerbegleiterin und insbesondere auf die Trauerbegleitung in einer großen, international agierenden Firma spezialisiert. In ihrem Vortrag thematisierte sie, dass es nur selten eine etablierte Trauerkultur in Unternehmen gibt und dass es die Mitarbeitenden sowie Führungskräfte oftmals sehr verunsichert, wenn Sterben, Tod und Trauer in der eigenen Arbeitswelt zum Thema werden. Daher ist die frühzeitige Entwicklung einer geeigneten Strategie im Umgang mit trauernden Kolleg*innen oder beim Verlust eines Teammitglieds umso wichtiger. Auch Einrichtungen im hospizlichen und palliativen Bereich sind davon nicht ausgenommen.

    Denn jedes Unternehmen und jeder Verein ist eine Organisation. In diesen Organisationen gibt es jedoch sehr selten eine etablierte Trauerkultur. Eher zufällig spenden Arbeits­kolleg*innen Trost. Manchmal erfährt das Team gar nicht, dass ein Teammitglied, beispielsweise aufgrund der Krebsdiagnose des Partners oder des Todes der Eltern, trauert. 

    Wie kann eine Trauerkultur aussehen? Darauf gibt es keine generelle Antwort. Jedoch kann die Trauerkultur wie eine Art Fahrplan angesehen werden, der im Vorhinein bedacht wird. So kann Trauerkultur Mitarbeitenden Sicherheit im Umgang mit der eigenen bzw. mit der Trauer im nahen Umfeld geben. Aber auch hier gilt: Trauer ist nie nur “schwarz oder weiß” – es gibt viele Möglichkeiten zum Umgang mit der Trauer. 

    Eine besondere Verantwortung haben leitende Personen und Führungskräfte. Auch hier gibt es einige Dinge, die den Arbeitsalltag für Trauernde erleichtern können. 

    Einige Beispiele:

    • Wichtig ist es, den Druck aus der Arbeit zu nehmen, indem beispielsweise Sonderurlaub bzw. eine Arbeitsfreistellung gewährt werden. So kann vermieden werden, dass sich die betroffene Person selbst krankmelden muss. Trauer ist per se keine Krankheit, auch wenn sie die betreffende Person arbeitsunfähig macht.
    • Ebenfalls kann nach Zeiten der Abwesenheit eine langsame Eingliederung der Mitarbeitenden, die einen nahen Angehörigen verloren haben, erfolgen.
    • Eine weitere Möglichkeit ist es, den Todestag einer Kollegin bzw. eines Kollegen im Kalender zu notieren, damit nicht ein Jahr danach zufällig der Betriebsausflug oder die Betriebsfeier auf diesen Tag gelegt wird. 
    • Grundsätzlich können in Personalabteilungen mögliche Situationen von Trauerfällen gedanklich durchgespielt und Regeln entwickelt werden, die Grundlage für einen Umgang in Trauerfällen bieten. 
    • Eine Notfall-Liste mit hilfreichen Adressen sollte vorhanden sein. 
    • Ein Anruf bei den Betroffenen kann viel bewirken.

    Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion. Darum sollten sie ein Recht auf Trauer einräumen und aktiv auf Trauernde zugehen, um deren Bedürfnisse und Wünsche hinsichtlich einer Unterstützung oder Begleitung zu erfragen. Dies ist insbesondere dann ratsam, wenn es um trauernde Mitarbeitende anderer Kulturen geht. Fragen und ehrliches Interesse helfen immer.

    Zweifelsohne gibt es viele Unsicherheiten im Umgang mit Trauernden. Und auch trauernde Menschen sind nicht immer “einfach”. Umso wichtiger ist es, Kommunikationswege zu entwickeln und mit den Trauernden ins Gespräch zu kommen. 

    Frau Sutor ging in ihrem Vortrag ebenfalls auf Kosten im Zusammenhang mit trauernden Mitarbeitenden ein. Trauernde sind in den meisten Fällen nicht voll leistungsfähig. Dennoch hat das Unternehmen eine Fürsorgepflicht. Eine gute Vorbereitung auf mögliche “Trauer am Arbeitsplatz” kann langfristig hohe Kosten reduzieren. 

    Gesetzliche oder tarifliche Regelungen in Trauerfällen existieren aktuell nicht. Darum sind es derzeit die Führungskräfte, die die ersten Schritte gehen müssen. Das bedeutet nicht, dass von ihnen ein perfekter Krisenplan erwartet wird. Jedoch sollte im Vorfeld klar sein, welche Regeln gelten und wer Ansprechperson sein kann.

  • Trauer in Zeiten von Corona – Ruthmarijke Smeding

    Ruthmarijke Smeding ist Edukationspsychologin und Fachreferentin für Aus-, Weiter- und Fortbildungen zum Thema Trauer und unterrichtet in vielen Ländern der Welt. In Deutschland lehrt sie seit Jahren u. a. das von ihr entwickelte interdisziplinäre Gezeitenmodell® Trauer erschließen, welches sich vor allem mit dem nicht-psychotherapeutischen Teil der Trauerbegleitung befasst.

    Ruthmarijke Smeding legte auf Grundlage aktueller Forschungsarbeiten den Schwerpunkt auf das Thema „Trauer in Zeiten von Corona“. Zunächst verdeutlichte sie in ihrem Vortrag, wie hoch die Anzahl trauernder Menschen um einen an Corona Verstorbenen ist. Ein einzelner verstorbener Mensch hinterlässt im Durchschnitt etwa drei bis vier Trauernde. In anderen Ländern wird diese Zahl sogar deutlich höher angesetzt. Mit Blick auf Corona bedeutet dies, dass 11.035 Coronatote (Stand: Sept. 2022/Hessen) etwa 35.000 Trauernde hinterlassen haben. Und diese trauernden Menschen sind in unserer Arbeitswelt zu finden.

    Der Coronatod kam dabei für viele Angehörige unerwartet und sehr plötzlich, betraf sehr viele und wurde als gewaltsam erlebt, besonders dann, wenn für die Angehörigen, Freunde oder das Team keine Möglichkeit des Abschiednehmens bestand. Alle zuvor bekannten Handlungsweisen waren plötzlich weggebrochen. Sterbende Menschen konnten nicht besucht werden, die Anzahl der Personen bei Trauerfeiern war begrenzt, Kontaktbeschränkungen haben Kondolenzbesuche unmöglich gemacht. Vieles musste improvisiert werden. Der Tod durch Corona war angsteinflößend und das Sterben wurde nur noch auf das medizinisch Mögliche reduziert. Psychosoziale, seelsorgerische Begleitungen waren nicht möglich.

    Frau Smeding zeigt anhand der Forschung auf, dass viele trauernde Menschen bereits durch Systeme außerhalb der Arbeitswelt Unterstützung erhalten, beispielsweise durch Vereine, Clubs etc. Nur etwa 10 Prozent der Trauernden erhalten die Diagnose einer psychischen Erkrankung (ICD 11). Doch Trauer ist nicht nur psychologisch, sondern auch in hohem Maß soziologisch zu betrachten.

    Dies wird anhand des “Triptychons der Trauer” verdeutlicht. Es stellt sich die Frage “Wo beginnt Trauer?” Anhand des Triptychons gibt es drei zusammengehörende Zeiten rund um das Erleben von Verlusten.

    •    Zeit 1: Die Zeit vor dem Tod, inkl. Ende des Lebens
    •    Zeit 2: Die Zeit zwischen Tod und endgültigem Abschied
    •    Zeit 3: Die Zeit danach 

    Durch die Auswirkungen und Einschränkungen der Coronapandemie war insbesondere die Zeit 1 für Betroffene und Angehörige massiv beeinträchtigt bzw. in vielen Fällen gar nicht vorhanden.

    In Bezug auf die Mitarbeitenden in Kliniken hat sich folgendes Bild im Umgang mit der Trauer um Patient*innen gezeigt: Mitarbeitende in Kliniken formulierten, dass sie die eigene Trauer nicht zulassen können, denn sie müssen gleich wieder weiterarbeiten. Es bleibt im Arbeitsalltag schlichtweg keine Zeit für die eigene Trauer.

    Zwei Tage Fortbildung wurden von Mitarbeitenden wie drei Wochen Urlaub empfunden. Aus diesem Grund spricht man in der Pflege weniger von Trauer im herkömmlichen Sinne, sondern vielmehr vom “moral distress” der Pflegenden. Dies zeigt ein Phänomen, gerade in der Pflege sterbender Menschen, das vor allem durch ein Gefühl der Machtlosigkeit hervorgerufen wird, wenn entgegen der eigenen moralischen Vorstellungen gehandelt werden muss. Ruthmarijke Smeding weist deutlich darauf hin, dass es zwischen der Trauer von An- und Zugehörigen und der professionell bedingten Trauer Unterschiede gibt.

    Auch in diesem Vortrag wird deutlich, dass eine Gesellschaft nicht die Augen vor trauernden Menschen verschließen darf. Vielmehr muss darauf geschaut werden, was Trauernde benötigen und wie ihnen Unterstützung zukommen kann. Andernfalls wird es für eine Gesellschaft sehr teuer, wenn in der Folge zahlreiche trauernde Menschen längerfristig arbeitsunfähig werden.

    Benötigt wird eine grundlegende Aufklärung über Trauer in der Öffentlichkeit. Die Menschen müssen befähigt werden, über Trauer zu sprechen. Zudem braucht es Unterstützung für die Hinterbliebenen, die auch bei anhaltender Trauerstörung oder in humanitären Notfällen und Katastrophen greift.

    Anhand des Bildes einer Tangotänzerin beschrieb Frau Smeding abschließend eine angemessene Verhaltensweise für professionelle Trauerbegleitung. Mit einem Bein geht man in die Beziehung. Gleichzeitig besteht aber auch die Möglichkeit, sich wieder aus der Beziehung herauszunehmen. So kann eine gute Balance zwischen Nähe und Distanz geschaffen werden.


    Wenn Sie Interesse an den Vortragsfolien von Ruthmarijke Smeding haben, wenden Sie sich an kasa@hage.de.

Die Praxisbeispiele

Am Nachmittag wurde beispielhaft über den Umgang mit Trauer am Arbeitsplatz in einer stationären Pflegeeinrichtung, bei der Polizei und in der Klinik durch die Seelsorge auf sehr persönliche und eindrückliche Weise berichtet.

  • Trauer in stationären Pflegeeinrichtungen – Leyla Saglam

    Leyla Saglam (Leiterin Traute-und-Hans-Matthöfer-Haus, Oberursel), berichtete über die Zeit in ihrer stationären Pflegeeinrichtung, in der Corona-Infektionen innerhalb weniger Wochen mit ganzer Macht auftraten. Neben Bewohner*innen erkrankten auch Mitarbeitende. Bewohner*innen und auch ein Mitarbeiter sind durch die Infektion mit dem Coronavirus innerhalb eines kurzen Zeitraumes verstorben. Im Oktober 2020 war eine Situation erreicht, in der die Mitarbeitenden nur noch professionell funktioniert haben und es allein darum ging, bestehende Aufgaben irgendwie zu meistern. Es war eine Zeit, die von Gefühlschaos und Machtlosigkeit geprägt war. Das System, wie man es bisher kannte, funktionierte nicht mehr.

    Geholfen haben in dieser Zeit Einzelgespräche, oftmals schon vor der Arbeit. Man hat sich zudem gegenseitig gestärkt, egal, in welcher Position man arbeitete. Nachdem die Impfungen gegen Corona möglich waren und die Kontaktbeschränkungen gelockert wurden, gab es Gedenkgottesdienste, wurden die Namen der Verstorbenen auf Steine geschrieben und wurde für jede verstorbene Person ein Kondolenzbuch ausgelegt.

    Eine Folge dieser Zeit ist es, dass es heute ein größeres Miteinander in der Einrichtung existiert. Sobald jemand erkrankt, wird die betroffene Person angerufen. Die Coronapandemie und der Verlust eines Kollegen in der stationären Pflegeeinrichtung haben das Team zusammengeschweißt.

    Sehr belastend war die Auseinandersetzung mit der Frage nach einer möglichen Schuld. Pflegende und Führungskräfte mussten sich immer wieder die Frage stellen, ob sie etwas falsch gemacht hatten, wenngleich die Pflegekräfte und alle Personen in den stationären Einrichtungen ihr Bestes gegeben haben. Darum muss deutlich werden: Es geht nicht um Schuld! Vielmehr muss sich die Gesellschaft fragen, wie sie im Fall zukünftiger Krisen handeln möchte.

    Für den Umgang mit Trauer am Arbeitsplatz fühlt sich die stationäre Pflegeeinrichtung von Frau Saglam inzwischen gut aufgestellt.

  • Trauer am Arbeitsplatz am Beispiel der Polizei – Boris Knopf, Gerrit Veit

    Polizist*innen sollen in Krisensituationen ruhig und besonnen sein. Die Polizei wird als “Macher” wahrgenommen und darf im beruflichen Kontext nicht schwach auftreten. Um dies sicherzustellen, existiert in der Polizeiarbeit ein ausgeprägter Teamgeist: Man achtet aufeinander und sorgt füreinander.

    Jedoch ist gerade das Überbringen von Todesnachrichten auch für Polizist*innen eine spürbare Herausforderung, insbesondere, wenn direkte Vergleiche zur eigenen Lebenssituation stattfinden. Dies passiert beispielsweise, wenn die Todesnachricht eines Kindes im Alter des eigenen Kindes überbracht werden muss.

    Gerrit Veit (Zentrum für polizeipsychologische Dienste und Services, Wiesbaden) berichtet in diesem Zusammenhang über die Arbeit des Zentrums für polizei­psychologische Dienste. Der Dienst steht Mitarbeitenden bei Bedarf täglich und rund um die Uhr als Ansprechstelle zur Verfügung. Auch Führungskräfte werden von diesem Dienst begleitet, um trauernde Kolleg*innen wiederum selbst begleiten zu können. Da die Strukturen der Polizei hierarchisch aufgebaut sind, kommt den Führungskräften hier eine besondere Rolle zu. So muss der Umgang mit Trauernden explizit erlernt werden. Immer wieder zeigt sich, dass es viele Möglichkeiten im Umgang mit Trauernden gibt und dass vor allem Trauerrituale dabei helfen, das Erlebte zu verarbeiten.

    Eine weitere Besonderheit innerhalb der polizeilichen Arbeit ist es, dass unter den Kolleg*innen oftmals eine enge soziale Bindung herrscht. Beispielsweise bleibt beim Streifefahren während der Arbeit Zeit, sich auch privat kennenzulernen. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass der Grat zwischen Nähe und Distanz gelegentlich verschwimmt. Umso wichtiger ist es, im Ernstfall die Möglichkeit und das Recht zu haben, um einen Kollegen bzw. eine Kollegin zu trauern.

    Bezogen auf die “Letzte-Hilfe-Kurse” hat der polizeipsychologische Dienst mit dem Würdezentrum Frankfurt Kontakt aufgenommen. In enger Zusammenarbeit wurden spezielle Letzte-Hilfe-Kurse für Polizist*innen entwickelt und angeboten, die großen Zuspruch erhalten.

    Am Ende formuliert Boris Knopf (Würdezentrum, Frankfurt a. M.) den Wunsch an das Hessische Ministerium für Soziales und Integration, sich in Hessen für eine Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Trauer zu engagieren: "Wir müssen aus dem, was war, lernen, und es braucht eine Sprachfähigkeit innerhalb der Trauer, eine ”Alphabetisierung". In allen Bereichen benötigt es dazu Informationen und Fortbildungen. Man kann schon in der Berufsausbildung damit beginnen.”

  • Seelsorge in Zeiten von Trauer für Mitarbeitende in der Klinik – Sabine Bruder

    Das dritte und letzte Praxisbeispiel lenkte den Blick auf trauernde Mitarbeiter*innen in der Klinik. Die Klinikseelsorge steht hier nicht nur den Patient*innen und Angehörigen, sondern auch den Mitarbeitenden der Klinik, unabhängig von ihrer Konfession, zur Verfügung. Dabei gilt der Leitsatz, dass die persönliche Trauer Raum bekommen muss, um ausgesprochen zu werden. Sabine Bruder (Klinikseelsorge Universitätsklinikum Frankfurt a. M.) berichtete von Beispielen der Klinikseelsorge. Es gibt Gesprächsangebote und Gedenkgottesdienste, die während der Arbeitszeit besucht werden können.

    Sehr wichtig ist dabei, dass die Angebote der Seelsorge in Krisen besonders niederschwellig sein müssen, um möglichst viele Hemmnisse abzubauen. Nicht jede und jeder Mitarbeitende der Klinik möchte öffentlich zeigen, dass er oder sie trauert - aus Angst, dass das Trauern von Kolleg*innen als Zeichen fehlender Leistungsfähigkeit betrachtet werden könnte. Trauer am Arbeitsplatz ist teilweise immer noch ein Tabu.

    Insbesondere Mitarbeitende im Gesundheitssektor sind einem hohen Risiko arbeitsbezogener psychischer Krisen ausgesetzt. Aus diesem Grund hat das Uniklinikum Frankfurt eine Notfallnummer für Mitarbeitende etabliert, die eine vertrauliche und frühzeitige Krisenintervention ermöglicht. Diese Maßnahme ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachkommen kann.

Trauer am Arbeitsplatz – Was brauchen wir? 

Die Erkenntnisse der Fachtagung wurden in einem letzten Beitrag von Verena Maria Kitz von St. Michael – Zentrum für Trauerseelsorge in Frankfurt zusammengefasst.

Im Ergebnis machen die Beiträge der heutigen Fachtagung eines zentral deutlich: Trauernde Menschen begegnen uns in unserer Arbeitswelt überall, unabhängig von unserem Arbeitgeber. 

  • Nur “Sprechenden kann geholfen werden!” – Dies gilt gleichermaßen für Betroffene, Angehörige, das Team und Vorgesetzte. Darum ist eine offene Kommunikation eines der wichtigsten Elemente, um mit Trauer umzugehen.
  • Die persönliche Trauer ist nicht gleichzusetzen mit beruflicher Trauer. Darum ist im jeweiligen Fall die Umgangsweise unterschiedlich.
  • Es gilt die Ganzheitlichkeit der Trauer zu respektieren. Trauer hat ganz unterschiedliche Facetten und kann sich auf genauso unterschiedliche Weise ausdrücken.
  • Auch in der Arbeitswelt sollte diskutiert werden, was am Arbeitsplatz hilfreich sein kann, welche Möglichkeiten der Unterstützung es gibt, welche Vereinbarungen und Regelungen bereits vorhanden sind und welche es noch darüber hinaus braucht.
  • Angehörige und Mitarbeitende sollten eine angemessene Nachsorge erhalten. Dazu gehört es zu wissen, welche arbeits- bzw. tarifrechtlichen Möglichkeiten im Trauerfall gegeben sind. Gegebenenfalls sollten eigene Regelungen für ein Team im Vorfeld festgelegt werden. Ebenfalls könnte es helfen, eine gemeinsamen Krisenplan zu entwickeln, beispielsweise mit einer Checkliste, die als Orientierungshilfe dient und den Mitarbeitenden Sicherheit vermittelt.
  • Auf- und Ausbau von Kommunikationsketten: Ganz nach dem Vorbild “wer, was, wann, wie, mit wem?” ist es ratsam, frühzeitig Kontaktpersonen zu benennen, die im Trauerfall auf die betroffenen Mitarbeitenden zugehen. Ebenfalls kann eine Notfall-Liste mit Telefonnummern von Beratungsstellen und/oder Seelsorge hilfreich sein. Niemand muss alles alleine schaffen! Bewährtes kann weitergegeben werden.
  • Das Wissen über Trauer ist essenziell, um mit der Trauer umgehen zu können. Die “Alphabetisierung” muss daher weiter vorangetrieben werden. Trauer darf in der Gesellschaft kein Tabu sein!

Das Tagesprogramm

Der Tagungsbericht als pdf

Danke!

Wir danken ganz herzlich allen Referentinnen und Referenten und allen, die zum Gelingen der 23. Fachtagung “Leben und Sterben” beigetragen haben.

Und wir danken Ihnen allen für Ihr Interesse an der 23. Fachtagung “Leben und Sterben”. Wir sind überwältigt von all den vielen positiven und freundlichen Rückmeldungen! Die Fachtagung diente dazu, Ihnen Impulse für die eigene Arbeit mitzugeben. Greifen Sie das Thema auf und vertiefen Sie es in Ihrer Einrichtung, damit wir alle einen bestmöglichen Weg finden, mit Trauer am Arbeitsplatz umzugehen. 

Die Tagung wurde gemeinsam von der Hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheits­förderung e.V. und dem Hessischen Ministerium für Soziales und Integration durchgeführt.

Foto: © HAGE