Veranstaltung
Jetzt wird’s konkret – Präventionsketten Hessen
Bericht zum Jahresfachtag des Landesprogramms „Präventionsketten Hessen“ am 22.11.2023
Vor knapp einem Jahr ist das Landesprogramm „Präventionsketten Hessen“ mit zehn hessischen Kommunen in die Umsetzung gestartet. Der Jahresfachtag im Stadthaus in Frankfurt am Main bot einen Rückblick auf das erste Jahr des Auf- und Ausbaus von Präventionsketten in Hessen, gab Einblicke in die Arbeit der Landeskoordinierungsstelle sowie viele Impulse für die Arbeit in den Kommunen und auf Landesebene.
Rund 145 Akteur*innen aus hessischen Kommunen und von der Landes- und Bundesebene waren zusammengekommen, um die bisherige und zukünftige Präventionskettenarbeit in Hessen zu feiern, Synergien und Schnittstellen zu identifizieren sowie kommunale Herausforderungen und Lösungsansätze zu diskutieren. Mit den unterschiedlichen Akteur*innen trafen sich verschiedenste Perspektiven aus Praxis, Wissenschaft, Politik sowie von Betroffenen.
Ein besonderer Fokus lag darauf, für die Umsetzung der vier Leitprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention zu sensibilisieren. Die Impulse des Tages verknüpften die Themen der Gesundheitsförderung, Armutssensibilität, Kinderrechte und Wirkungsorientierung in der Präventionskettenarbeit.
Lesung & Eröffnung
Der Jahresfachtag startete stimmungsvoll mit einer kurzen Lesung aus dem Buch „Keine Aufstiegsgeschichte – Warum Armut psychisch krank macht“ des Buchautors Olivier David.
Mit der offiziellen Eröffnung durch die Moderatorin Petra Boberg und die Leiterin des Landesprogramms Rajni Kerber wurden erste Einblicke in die Armutsproblematik von Kindern in Hessen sowie in das Landesprogramm Präventionsketten gegeben.
Gesprächsrunde: Wie war's im ersten Jahr?
In einer anschließenden Gesprächsrunde berichteten die Koordinierungsfachkräfte Wanda Krautter und Vanessa Bendel (Stadt Offenbach) sowie Lena Schandor (Schwalm-Eder-Kreis) aus der Kinder- und Jugendhilfe von den Umsetzungsschritten ihrer Kommunen im ersten Förderjahr. Insbesondere gingen sie ein auf die Verknüpfung und die Zusammenarbeit mit dem kooperierenden Ressort (z. B. Gesundheit, Soziales und Kinderrechte) und auf gute Erfahrungen in der Kooperation mit kommunalen Gremien sowie Bürgermeister*innen aus den kreisangehörigen Gemeinden und Städten. Dabei konnten sie teilweise auf bestehende Strukturen aufbauen, verwiesen jedoch gleichzeitig darauf, dass die Arbeit für Vertrauen viel Zeit und Geduld benötigt. Weitere Themen kamen zur Sprache, zum Beispiel das Ankommen in der neuen Rolle als Koordinationsfachkraft Präventionsketten, das Kennenlernen der Verwaltungsstrukturen und Hierarchieebenen sowie der Fachkräftemangel.
Rajni Kerber berichtete über die flankierenden Qualifizierungen und Austauschformate, die sich im Laufe des ersten Förderjahres entwickelt haben. Als besonders gelungen bezeichnete sie die Vernetzung der teilnehmenden Kommunen in einem übergreifenden Landesnetzwerk. Der Austausch und das voneinander Lernen seien Gelingensfaktoren, die die Arbeit der Präventionsketten in Hessen voranbringen. Rajni Kerber präsentierte zudem Meilensteine, die bislang erfolgreich umgesetzt wurden, und stellte die nächsten Umsetzungsschritte vor.
Nachgefragt: Präventionsketten in Hessen
„Gemeinschaftliche Übernahme von Verantwortung“ sowie „Aufbau von armutssensiblen und kindgerechten Strukturen (…)“: Mit diesen Worten charakterisierte Anne Janz, Staatssekretärin des Hessischen Ministerium für Soziales und Integration (HMSI), das Landesprogramm in ihrem digitalen Grußwort. Sie betonte zudem die gelungene Umsetzung im ersten Programmjahr.
Sabine Stahl, Landeskoordinatorin Frühe Hilfen (Abteilung II 4 Familienpolitik, Kinderschutz, Frühe Hilfen - HMSI) verdeutlichte, dass die fachliche Arbeit im Landesprogramm durch die Vertreterinnen im HMSI - trotz politischer Veränderungen auf Landesebene – beständig ist und ein besonderes Merkmal der Präventionskettenarbeit in Hessen darstellt.
Marc von Krosigk (Geschäftsführung der Auridis Stiftung) gab einen Einblick in die Beweggründe der Auridis Stiftung, das Landesprogramm mit zu fördern.
Zuletzt verdeutlichte Dr. Katharina Böhm (Geschäftsführerin der HAGE) die Besonderheit der Verknüpfung der Kinderrechte mit den Präventionsketten. Kinder als Rechteinhaber mit Ressourcen und Fähigkeiten zu verstehen, ermöglicht eine neue Sichtweise auf die Präventionskettenarbeit und stellt Kinder in den Mittelpunkt gesellschaftlichen Handelns, so Dr. Katharina Böhm.
Impulse aus der Wissenschaft
Maren Hilke (TH Köln) fasste in ihrem Vortrag „Kinderarmut und die Folgen für ein gelingendes Aufwachsen“ das komplexe Thema der Präventionsketten, Kinderarmut und Kinderrechte zusammen und schuf damit eine Diskussionsbasis für die weitere Veranstaltung. Sie zeigte auf, dass Kommunen als Wirkungsfeld zu verstehen sind, da sich vor Ort ungleiche Lebenslagen verräumlichen, aber gleichzeitig andere Zugänge zu den Menschen in ihren Lebenswelten möglich sind.
Maren Hilke verdeutlichte, dass Kinderrechte mit dem Thema Kinderarmut eng verknüpft sind und Präventionsketten helfen, Rechte der Kinder umzusetzen und Folgen von Kinder- und Familienarmut zu bekämpfen.
Bei inhaltlichen Rückfragen wenden Sie sich gerne per E-Mail an uns: praeventionsketten@hage.de.
Die Fachforen: Zur Umsetzung der vier Leitprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention
In vier Fachforen vertieften die Teilnehmenden das Thema der Umsetzung der vier Leitprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention.
Verschiedene Beispiele und Ansätze aus der Praxis zeigten das Potenzial für die Präventionskettenarbeit auf. Des Weiteren wurde Mut gemacht für (neue) wirkungsvolle Umsetzungsstrategien für ein gelingendes Aufwachsen von Kindern in Zukunft.
Begleitung: Markus Büchel, Auridis Stiftung
Moderation: Dr. Sarah Mümken, Landeskoordinierungsstelle Präventionsketten Hessen, HAGE
Das erste Fachforum griff das Leitprinzip „Diskriminierungsverbot bzw. Recht auf Gleichbehandlung“ auf. Im Artikel 2 der UN-Kinderrechtskonvention wird gefordert, dass die Kinderrechte für jedes Kind gelten, unabhängig von z. B. Herkunft, Sprache, Religion, Geschlecht, Aussehen, Behinderung und Vermögen. Es sollen „alle geeigneten Maßnahmen“ getroffen werden, um einen Schutz vor „allen Formen von Diskriminierung“ zu gewährleisten.
Wiebke Winter, Leiterin des Kinder- und Familienservices und Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Garbsen, stellte in einer digitalen Zuschaltung das Instrument „Armutssensibilität – Eine Checkliste für Kindertageseinrichtungen“ vor, das Fachkräfte zur Reflexion der eigenen Haltung anregt. Es soll eine vorurteils- und stigmatisierungsfreie Begegnung des Themas Kinderarmut in der täglichen Arbeit mit Kindern und ihren Familien erreicht werden. Dieses Ziel verfolgt auch eine Arbeitshilfe zur armutssensiblen Projektplanung, die ebenfalls präsentiert wurde. Es wurde deutlich, dass nicht nur die Haltung, sondern auch das Wissen über Kinderarmut und Ihre Folgen relevant für ein diskriminierungsfreies Handeln sind.
Diana Zilic und Najim Boussouf vom Netzwerk für Familienleistungen der Familienkasse Hessen berichteten, wie sie über Leistungen (z. B. Kinderzuschlag, Kindergeld, Wohngeld etc.) informieren und dafür sorgen, dass diese bei den Familien ankommen. Die Referenten verdeutlichten, dass eine behördenübergreifende Zusammenarbeit einen Mehrwehrt für alle Netzwerkpartner*innen besitzt und eine niedrigschwellige Ansprache und Unterstützung der Familien fördert.
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Begleitung Miriam Zeleke, HMSI
Moderation: Sabrina Kruse, Landeskoordinierungsstelle Präventionsketten Hessen, HAGE
Das zweite Fachforum widmete sich der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. In allen Angelegenheiten, die Kinder betreffen, sollen deren Stimmen gehört und in einer angemessenen Weise, die dem jeweiligen Alter und der Reife entspricht, berücksichtigt werden. Hierfür ist es erforderlich, Möglichkeiten für Beteiligung und Einbindung in den Kommunen zu schaffen. Falls Kinder und Jugendliche nicht persönlich vertreten sein können, sollten Interessensvertretungen einbezogen werden.
Jens Hoffsommer, Leiter der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) am Standort Sachsen, führte in das Thema Beteiligung ein. Zu Beginn holte er kurz die Meinungen der Anwesenden ein. Ein interessantes Ergebnis ergab sich nach dem Statement „Ich erinnere mich noch gut an meine eigene Hilflosigkeit und Wut als Kind, wenn Erwachsene zu wissen glaubten, was das Beste für mich ist und über mich hinweg entschieden haben.": Fast alle Teilnehmenden konnten sich gut an solche Erfahrungen erinnern. Anschließend präsentierte der Referent das Beteiligungsdreieck mit den Eckpfeilern Haltung, Struktur, Methode und ging auf die verschiedenen Beteiligungsstufen ein. Des Weiteren benannte er potenzielle Herausforderungen für Kommunen und gab hilfreiche Tipps für den Einstieg.
Miriam Zeleke, Landesbeauftragte für Kinder- und Jugendrechte in Hessen, berichtete von ihren Erfahrungen mit Beteiligungsformaten und betonte deren Relevanz. Ebenso bot sie Raum dafür, dass die Teilnehmenden ihre persönlichen Erfahrungen teilen konnten. Dabei stellte sie das Laura-Lundy-Modell mit seinen vier grundlegenden Elementen der Beteiligung vor: der Raum („space“), in dem Kinder sich sicher äußern können; die Stimme („voice“), die den Kindern ermöglicht wird; das Publikum („audience“), das ihren Ansichten zuhört; der Einfluss („influence“), den diese Ansichten auf angemessene Weise haben sollten. Zum Abschluss berichtete Nils Hoppe, ehemaliger Kreisschülersprecher Bergstraße, von seinen positiven wie negativen Erfahrungen in diesem Zusammenhang. Er machte noch einmal deutlich, dass seiner Erfahrung nach die Kommunen nur in den wenigsten Fällen auf die Jugendlichen zugegangen sind, sondern die Jugendlichen die Initiative ergreifen mussten.
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Begleitung durch Maike Olberding, HMSI
Moderation: Nicole Waliczek, Landeskoordinierungsstelle Präventionsketten Hessen, HAGE
Wie gestaltet sich die Umsetzung des Rechts auf Leben und persönliche Entwicklung von Kindern in der Praxis? Wie können Kinder optimal gefördert und wie kann ihnen ein geschützter Raum zum Aufwachsen ermöglicht werden?“ Das Leitprinzip „Recht auf Leben und persönliche Entwicklung“ meint, dass alle Kinder in Deutschland die gleichen Chancen auf ein gelingendes Leben besitzen und somit ein Recht darauf, dass mögliche herkunftsbedingte Bildungsnachteile in Kitas, Schulen oder durch gesonderte Förderung ausgeglichen werden. Kinder haben das Recht auf Persönlichkeitsentwicklung und zur Befähigung, langfristig selbstbestimmt leben zu können.
Das dritte Fachforum beschäftigte sich mit den Lebenswelten, in denen Kinder spielen, lernen und leben. Dabei wurden die Systemeinrichtungen Kita und Schulen beleuchtet und durch Praxisbeispiele aufgezeigt, wie herkunftsbedingten Nachteilen entgegengewirkt und Kinderrechte gestärkt werden können.
Felix Weber und Oliver Janiczek (HAGE) stellten gesundheitsförderliche Programme in den kommunalen Lebenswelten von Kindern vor. Hierbei gingen Sie auf die Aufgaben und Aktivitäten der „Gesundheitsfördernden Kita“, der „Schulgesundheitsfachkräfte“ und von „Verrückt? Na und! Seelisch fit in der Schule“ ein. Alle drei Programme sind an die HAGE angedockt und verfolgen das Ziel, in den Systemeinrichtungen Kita und Schule gesundheitsförderliche Lebensorte für Kinder und Jugendliche niedrigschwellig zu schaffen.
Makista setzt sich für die Verwirklichung der Kinderrechte in Schulen und andere Bildungseinrichtungen ein. Hannah Abels (Makista) vermittelte, wie die Grundprinzipien von Gleichheit/Nicht-Diskriminierung, Schutz, Förderung und Beteiligung in den Schulalltag einbezogen werden können. Anhand des Praxisbeispiels „Kinderrechte-Schule in Butzbach“ erläuterte sie das Vorgehen, wie Kinderrechte und frühes Demokratielernen in der Lebenswelt Schule verankert werden.
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Begleitung durch Sabine Stahl, HMSI
Moderation: Kassandra Jonescheit, Landeskoordinierungsstelle Präventionsketten Hessen, HAGE
Im vierten Fachforum lag der Fokus auf dem Leitprinzip „Vorrangigkeit des Kindeswohls“. Dieses lautet: „Bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, ist das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist.“ (Art. 3, Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention).
Auf Basis dessen präsentierte Prof. Matthias Kieslich (Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Frankfurt) die ineinandergreifenden präventiv-medizinischen Angebote entlang der Geburt und dem Kindesalter. Als Besonderheit stellte er das „Childhood-Haus“ in Frankfurt vor, das am 20.11.2023 eröffnet wurde. Bei der Entwicklung und Umsetzung des Childhood-Hauses stehen die multiprofessionelle Zusammenarbeit und die Haltung, vom Kind her zu denken, im Mittelpunkt. Die professionsübergreifende Zusammenarbeit und der Perspektivwechsel sind auch grundlegende Komponenten der Präventionskettenarbeit. Bei inhaltlichen Rückfragen wenden Sie sich gerne per E-Mail an uns: praeventionsketten@hage.de.
Im zweiten Beitrag stellte Nicola Küpelikilinc (Der Kinderschutzbund - Bezirksverband Frankfurt e. V.) die Arbeit des Kinderschutzbundes hinsichtlich der Vorrangigkeit des Kindeswohls vor. Entlang der Geburt und dem Kindesalter gibt es verschiedene Angebote des Kinderschutzes, z. B. Babylosten, Elternpatenschaften, ehrenamtliche Einzelvormundschaften, Spiele-Wagen sowie Kinder- und Familienzentren. Bei der Angebotsgestaltung stellen die Niedrigschwelligkeit und auch die Haltung, vom Kind her zu denken, zentrale Merkmale dar. Die Referentin zeigte beispielhaft anhand von Aussagen von Fachkräften, wie diese jeweils aus dem Blickwinkel von Eltern, Fachkräften und Kindern verstanden und betrachtet werden. Der Kinderschutz ist als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu verstehen.
Impulsvortrag zur Umsetzung der Kinder- und Jugendrechte in Hessen
Im Impulsvortrag von Miriam Zeleke, Landesbeauftragte für Kinder- und Jugendrechte (HMSI), ging es um die Grundlagen der UN-Kinderrechtskonvention, die Umsetzung von Kinder- und Jugendrechten in Hessen sowie das neu veröffentlichte Landesmonitoring zur Umsetzung der Kinder- und Jugendrechte in Hessen. Zu Beginn gab Miriam Zeleke Einblicke in ihre Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Kindern und ihren Familien. Sie berichtete über die drei unterschiedlichen Perspektiven von Kind, Fachkraft und Elternteil und verdeutlichte, wie unterschiedlich Schicksale wahrgenommen und verarbeitet werden - und wie sich dies auf die Entwicklung von Kindern auswirkt. Dabei stellte sie die zentrale Bedeutung von Fachkräften und Einrichtungen (wie Kita, Familienzentrum, Schule etc.) heraus, da diese wichtige Unterstützungsorte für Kinder sind, in denen sie sich unabhängig von ihrer familiären Situation entfalten können.
Die Referentin präsentierte die neu veröffentlichten Ergebnisse eines ersten Landesmonitorings zur Umsetzung der Kinder- und Jugendrechte in Hessen. In verschiedenen Beteiligungsverfahren wurden Kinder und Jugendliche, Erwachsene und Mitarbeiter*innen in Politik, Verwaltung und Justiz zu den Handlungsfeldern Bekanntmachung, Beteiligung und Bildungsgerechtigkeit befragt. Zu den Handlungsfeldern wurden Struktur-, Prozess- und Ergebnisindikatoren entwickelt und festgelegt. Miriam Zeleke ging vor allem auf die Ergebnisse des Handlungsfeldes „Bekanntmachung“ ein: Wie bekannt sind die Kinder- und Jugendrechte in Hessen bei den jeweiligen Befragungsgruppen? Erste Ergebnisse zeigen zum einen, dass die Kinder- und Jugendrechte bei Befragten in Stadtgebieten bekannter sind als bei Befragten in ländlicheren Gebieten; zum anderen fehlt es Materialien, welche die Rechte der Kinder und Jugendlichen auch über Bildungseinrichtungen hinaus bekannt machen. Weitere Informationen finden Sie im „Bericht: Erste Erkenntnisse des Kinder- und Jugendrechte-Monitorings in Hessen“.
Zum Schluss betrachtete Miriam Zeleke die Stellungnahme des Deutschen Kinderschutzbundes (DKSB) zum Referentenentwurf einer Kindergrundsicherung aus ihrer Perspektive als Landesbeauftragte für Kinder- und Jugendrechte.
Bei inhaltlichen Rückfragen wenden Sie sich gerne per E-Mail an uns: praeventionsketten@hage.de.
Impulsvortrag „Warum verändern sich manche Dinge nicht?“
Mit einem weiteren Impulsvortrag wurde Nastasja Ilgenstein als eine Vertreterin der Initiative „Kommune 360°“ digital zugeschaltet. Kommune 360° ist eine gemeinsame Initiative der Auridis Stiftung, der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der Phineo gAG. Nastasja Ilgenstein gab Impulse zu der Frage „Warum sich manche Dinge nicht verändern?“ und berücksichtigte dabei den Verwaltungskontext. Sie zeigte Möglichkeiten auf, wie Veränderungen gestaltet werden können – auch im Hinblick auf die Herausforderungen in der täglichen Arbeit.
Kommunen nehmen eine wichtige Schlüsselrolle in der Gestaltung von Lebensbedingungen der Menschen vor Ort ein und dabei, Kindern ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen. Ressortübergreifende und integrierte Zusammenarbeit im Verwaltungssystem ist notwendig, um die Lebensbedingungen von Kindern und ihren Familien zu verändern. In der kommunalen Verwaltung besteht jedoch eine hohe Komplexität: Funktions-, Hierarchie- und Operationsebenen erschweren die Zusammenarbeit zwischen Fachkräften aus verschiedenen Bereichen und hemmen somit Veränderungen im kommunalen Handeln. Zudem stellen die unterschiedlichsten Krisen und Herausforderungen der Zeit neue Anforderungen an die Kommune. Langfristig werden andere Formen der Arbeits- sowie Prozessgestaltung in Verwaltungsstrukturen benötigt, um den vielen Herausforderungen begegnen zu können, so Nastasja Ilgenstein; ein Lösungsansatz bietet das kooperative Arbeiten und eine integrierte Planung in der Kommune, .
Die Angebote der Initiative „Kommune 360°“ auf deren Homepage zu finden. Bei inhaltlichen Rückfragen wenden Sie sich gerne per E-Mail an uns: praeventionsketten@hage.de.
Die Podiumsdidussion: Kommune, Land und Bund im Gespräch
Zum Abschluss des Jahresfachtags fand eine Podiumsdiskussion mit „Speed Speaking“-Statements statt. Kommunal-, Landes- und Bundesebene waren vertreten, auch die Perspektive von Jugendlichen und Betroffenen kamen zur Sprache. Die Podiumsdiskussion stand unter der Fragestellung „Was braucht es für eine gute Präventionskettenarbeit?“. Folgende Gäste nahmen teil:
- Dr. Martina Kottmann, Leiterin des Referats 202, Wirtschaftliche und steuerliche Fragen der Familienpolitik, Internationale Familienpolitik, Familie und Migration (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend)
- Sabine Stahl aus dem Referat II 4 Familienpolitik, Kinderschutz, Frühe Hilfen (Hessisches Ministerium für Soziales und Integration)
- Maike Olberding aus dem Referat V 4 Prävention, Suchthilfe (Hessisches Ministerium für Soziales und Integration)
- Olivier David (Buchautor)
- Uwe Peter Tönges-Friedmann, Leiter der Katholischen Kindertagesstätte und des Familienzentrums St. Nikolaus in Lorch (Rheingau-Taunus-Kreis)
- Nils Hoppe als ehemaliger Kreisschulsprecher (Kreis Bergstraße)
Die erste Runde startete mit der Bundesebene: Dr. Martina Kottmann vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend berichtete über die „Europäische Garantie für Kinder“ (EU-Child Guarantee). In der sich anschließenden Diskussion ging es um die Kindergrundsicherung, die aktuelle Situation des Bundeshaushaltes sowie um den Nationalen Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“. Uwe Peter Tönges-Friedmann sprach an, wie die Gestaltung der geplanten Maßnahmen des Nationalen Aktionsplans in Einrichtungen wie Kindertagesstätten konkret umgesetzt werden sollen. Dies sollte Fachkräfte in ihrem Arbeitsalltag unterstützen und nicht zusätzlich belasten, weshalb er weitere Ressourcen (Zeit/Personal) forderte. Olivier David betonte, dass es wichtig ist sicherzustellen, dass Maßnahmen auch bei den Kindern und Familien vor Ort ankommen.
In der zweiten Runde war die Landesebene durch Sabine Stahl (HMSI) und Maike Olberding (HMSI) vertreten. Beide betonten das Engagement des Landes hinsichtlich der Präventionskettenarbeit und den Willen zur Fortsetzung in den nächsten Jahren. In der Diskussion stand die Frage „Was wünschen Sie sich von der Landesebene?“ im Mittelpunkt. Hier war es Nils Hoppe ein Anliegen, Kindern und Jugendlichen eine Stimme zu geben und nicht über sie, sondern mit ihnen zu sprechen und zu entscheiden: Das Einbeziehen bei Entscheidungen sollte regelhaft erfolgen; bei Ablehnung oder Nicht-Berücksichtigung von Wünschen und Ideen sei es besonders wichtig, das offene Gespräch zu suchen und dies transparent zu begründen.
In der dritten Runde sendete Nicole Maisch, Bürgermeisterin und Dezernentin für Jugend, Gesundheit, Bildung und Chancengleichheit der Stadt Kassel, eine digitale Botschaft und erläuterte die Beweggründe für die Teilnahme am Landesprogramm. Ziel sei es, den gesellschaftlichen Herausforderungen zum Thema Kinderarmut in der Stadt Kassel mit guten Unterstützungsstrukturen langfristig zu begegnen. Die Podiumsteilnehmer diskutierten die Frage „Was braucht es für ein gelingendes Aufwachsen?“. Genannt wurden dabei insbesondere Teilhabe, Beteiligung von Betroffenen sowie die Einhaltung demokratischer Grundwerte.
Die Podiumsdiskussion verdeutlichte, dass und an welchen Stellen sich die Betrachtungs- und Herangehensweisen von Kommune, Land und Bund voneinander unterscheiden. Zentrale Botschaften waren abschließend, den Austausch zwischen Kommune, Land und Bund zu verstärken, um eine gemeinsame Haltung und Zielrichtung für eine gelingenden Gestaltung kindgerechter Lebensbedingungen zu fördern. Zudem müssen Räume und Formate geschaffen werden, in denen Kinder und Jugendliche mitbestimmen können.
Die Impulse und Ergebnisse des Fachtages werden von der Landeskoordinierungsstelle aufbereitet, mit den beteiligten Kommunen, Förderern und weiteren interessierten Akteur*innen reflektiert und in der zukünftigen Präventionskettenarbeit in Hessen berücksichtigt.
Wir bedanken uns bei allen Mitwirkenden und Teilnehmenden für das große Interesse an der Jahresfachtagung und den gelungenen Austausch zu kinderrechtebasierten Präventionsketten.
Die Veranstaltung wurde von der Landeskoordinierungsstelle Präventionsketten Hessen organisiert. Sie ist bei der Hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. (HAGE) angesiedelt.
Das Landesprogramm „Präventionsketten Hessen – Gelingendes Aufwachsen, Kinderrechte leben“ wird durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) und die Auridis Stiftung gefördert.
Bilder: © Fotos: HAGE/andreasmann.net
Zwei Illustrationen (Präventionsketten-Baum und vier Leitprinzipien der UN-KRK): © HAGE/Sandra Beer