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Landesnetzwerk(e)treffen für ein gesundes Aufwachsen von Kindern in Hessen
Bericht zur Veranstaltung vom 02.12.2024
Am 02.12.2024 fand in der Mehrzweckhalle des Landessportbundes Hessen das erste Landesnetzwerk(e)treffen für ein gesundes Aufwachsen von Kindern in Hessen statt. Eingeladen hatte das Fachforum „Gesund aufwachsen“, das Teil der Landesrahmenvereinbarung zur Umsetzung der nationalen Präventionsstrategie (LRV) ist. Ziel der Veranstaltung war es, Ansätze zur Gesundheitsförderung und Prävention für Kinder zu stärken und Akteur*innen aus verschiedenen Bereichen miteinander zu vernetzen. Es ging darum, bestehende Netzwerke kennenzulernen und auszubauen, Bedarfe und Herausforderungen zu identifizieren sowie gemeinsam praxisorientierte und innovative Lösungen zu entwickeln.
Die LRV Hessen und ihre Fachforen
Als Vertreterinnen des LRV-Fachforums „Gesund aufwachsen“ begrüßten Elisa Martini vom Hessischen Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales (HMSI) sowie Lorena Jakel von der BARMER Landesvertretung Hessen die Gäste. In ihrem Vortrag stellten sie anschaulich die Arbeitsstruktur der LRV Hessen und die lebensphasenbezogenen Fachforen vor.
Verantwortungsgemeinschaften für ein gesundes Aufwachsen
Es folgte ein Impulsvortrag von Univ.-Prof. Dr. Freia De Bock vom Universitätsklinikum Düsseldorf zum Thema „Gesundes Aufwachsen: Wie Gesundheit, Bildung und Soziales als unterschiedliche Sektoren eine Verantwortungsgemeinschaft bilden“. Hier ging es um die Möglichkeiten einer gemeinsamen Förderung der Gesundheit von Kindern durch die Bereiche Gesundheit, Bildung und Soziales. Die Referentin stellte dar, dass Leistungen und Angebote für Kinder und Familien über die drei Bereiche Gesundheit, Soziales und Bildung verteilt sind („psychosoziale Unterstützungslandschaft“), es aber eine enge Verknüpfung gibt: So kann eine Maßnahme im Bildungssektor (z. B. ein Schulprojekt zur Förderung der Bewegung) die Gesundheit der Kinder stärken und gleichzeitig ihre soziale Teilhabe verbessern. Eine effektive Förderung der Kindergesundheit erfordert daher, dass diese Bereiche nicht isoliert agieren, sondern gemeinsam Verantwortung übernehmen.
dass Leistungen und Angebote für Kinder und Familien über die drei Bereiche Gesundheit, Soziales und Bildung verteilt sind ("psychosoziale Unterstützungslandschaft"), es aber eine enge Verknüpfung gibt: So kann eine Maßnahme im Bildungssektor
Gesundheit als Gemeinschaftsaufgabe
Ein zentraler Punkt des Vortrags war das Konzept „Health in All Policies“ (HiAP). Dieses beschreibt die Idee, dass alle politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen – unabhängig vom Bereich – die Gesundheit der Bevölkerung berücksichtigen sollten. Prof. Dr. De Bock ergänzte, dass es in der Praxis sinnvoller sei, auch „Health for All Policies“ zu denken: Gesundheit sollte nicht nur ein Ziel sein, sondern auch die Ziele anderer Bereiche/Sektoren wie Bildung, Stadtentwicklung oder Umweltpolitik unterstützen. Durch diese „Co-Benefits“ (positive Nebeneffekte) können Synergien entstehen, die sowohl die Gesundheit als auch andere gesellschaftliche Ziele fördern.
Ein Beispiel für die praktische Umsetzung dieses Ansatzes ist die stärkere Verzahnung des Gesundheitswesens mit anderen Systemen, wie den Sozial- und Bildungsstrukturen. Die Referentin betonte, wie wichtig es sei, Gesundheit nicht isoliert zu betrachten, sondern in den Kontext anderer Lebensbereiche einzubinden, um den Zugang zu Leistungen zu verbessern und Kindern und ihren Familien bestmögliche Unterstützung zu bieten.
Ein besonders praktischer Ansatz ist in diesem Zusammenhang die Einführung von „Link Workern“. Diese fungieren als koordinierende Schnittstellen, die Familien beispielsweise dabei unterstützen, passende Angebote in der psychosozialen Unterstützungslandschaft zu finden und zu nutzen. Um solche Ansätze erfolgreich umzusetzen, seien transparente Strukturen und Plattformen erforderlich, die den Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren erleichtern, so die Referentin.
Der Vortrag von Univ.-Prof. Dr. De Bock lieferte praxisnahe Impulse und konkrete Ansätze, die den Teilnehmenden als Grundlage für die anschließenden Diskussionen und die Weiterarbeit im Fachforum dienten.
Die World-Cafés
Nach dem Impulsvortrag arbeiteten die Teilnehmenden an vier Thementischen im World-Café-Format. Im Fokus standen die Identifikation aktueller Herausforderungen und Bedürfnisse sowie die Entwicklung von Handlungsmöglichkeiten und Strategien. Diese Fragen wurden an Thementischen aus unterschiedlichen Perspektiven heraus diskutiert:
Synergien, Kooperation und Vernetzung
Die Diskussion am Thementisch „Synergien, Kooperation und Vernetzung“ zeigte, dass es in Hessen bereits viele funktionierende Netzwerke und Strukturen gibt. Die Herausforderung besteht jedoch darin, für spezifische Bedarfe und Situationen das jeweils „richtige“ Netzwerk zu finden. Die Vielzahl an bestehenden Strukturen erschwert oft den Zugang und verdeutlicht den Bedarf an Orientierung und Transparenz.
Darüber hinaus lag ein Fokus auf der Bedeutung des Wissensaustausches zwischen den Netzwerken, um Synergien zu erkennen und in Planungen einzubeziehen. Zudem standen Ansätze wie „Link Worker“ im Mittelpunkt, die als Schnittstelle zwischen Familien und Beratungsstellen bzw. Angeboten fungieren. Abschließend betonten die Teilnehmenden die Notwendigkeit, die Rahmenbedingungen für die Kooperation zwischen den Netzwerken – wie Offenheit, Transparenz und Partizipation – zu verbessern, um die Zusammenarbeit zu erleichtern.
Perspektive Familie
Die Teilnehmenden unterstrichen die Bedeutung einer ausreichenden Kinderbetreuung und eines besseren Zugangs zu Informationen über Unterstützungsangebote.
Es wurde deutlich, dass Familienzentren eine Schlüsselrolle bei der Unterstützung von Familien spielen können. Familienzentren sollten in den Kommunen vermehrt als zentrale Anlaufstellen mit niedrigschwelligen und nicht stigmatisierenden Angeboten ausgebaut werden. Dabi ist von Bedeutung, dass auch Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status Unterstützung erhalten, ohne sich dafür „outen“ zu müssen. Zudem sollte sichergestellt werden, dass die Grundbedürfnisse der Kinder durch kostenlose Schulmaterialien und Mahlzeiten gedeckt sind.
Perspektive Kind
Die Diskussion am Thementisch „Perspektive Kind“ konzentrierte sich auf die Frage, was Kinder für ein gesundes Aufwachsen brauchen. Sicherheit und Schutz, aber auch Entwicklungs- und Rückzugsräume standen dabei im Vordergrund. Die Teilnehmenden bekräftigten die Bedeutung der Erfüllung von Grundbedürfnissen wie Bildung, Bewegung und Partizipation. Diese tragen nicht nur zur Persönlichkeitsentwicklung bei, sondern fördern auch das soziale Wohlbefinden der Kinder. Ein zentrales Anliegen war, dass Kinder im Alltag eine Art „Anwalt“ oder „sicheren Hafen“ brauchen: eine Bezugsperson, die sie unterstützt und sich für ihre Interessen einsetzt.
Ein weiteres Thema war, dass es zwar viele gute Freizeit- und Bildungsangebote für Kinder gibt, diese jedoch oft nicht ausreichend bekannt sind oder nachhaltig gefördert werden. Als Lösungsansätze wurden z. B. Schnupperangebote in Kindertagesstätten genannt, durch die Kinder an Sport- und Freizeitangebote herangeführt werden. Zudem sprachen sich die Teilnehmenden dafür aus, dass Freizeitangebote wie Sport und Bildung für alle Kinder kostenlos zugänglich sein sollten.
Gesundheitheitliche Chancengleichheit
Viele Familien haben Ängste, Scham und Misstrauen gegenüber offiziellen Strukturen oder Angeboten entwickelt: Dieser Aspekt stand am Thementisch „Gesundheitliche Chancengleichheit“ im Fokus. Die Folge: Unterstützung wird nicht immer in Anspruch genommen, obwohl sie dringend notwendig wäre – Fachkräfte benötigen daher eine gute Beziehung zu den Familien, um Vertrauen aufzubauen und den Zugang zu erleichtern.
Ein besonderes Augenmerk lag auf den Potenzialen von Familienzentren, die als Orte der Begegnung und Unterstützung eine zentrale Rolle spielen können. „Link Workern“ bzw. Multiplikator*innen als Lebensweltexpert*innen könnten den Zugang erleichtern. Sie könnten Familien als Lotsen begleiten und sie zu passenden Angeboten führen. Als Praxisbeispiel dienten die „Stadtteilmütter“, die als Integrationslots*innen fungieren und fest in Familienzentren verankert sind.
Ausblick: Weiterarbeit im Fachforum
Die Veranstaltung verdeutlichte, dass eine stärkere Vernetzung der Akteure, der Ausbau zentraler Anlaufstellen und die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Familien und Kindern entscheidend sind, um ein gesundes Aufwachsen in Hessen zu fördern. Durch den konstruktiven Austausch und die wertvollen Anregungen der Teilnehmenden wurde eine starke Basis für die Weiterentwicklung der Netzwerkarbeit in Hessen geschaffen.
Das Fachforum „Gesund aufwachsen“ bedankt sich für die engagierte Mitarbeit sowie die Impulse und Ideen der Teilnehmenden. Die im World-Café erarbeiteten Ergebnisse dienen als Grundlage für die Weiterarbeit und die nächsten Schritte des Fachforums.
Organisation
Die Veranstaltung wurde von der Hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. (HAGE) organisiert und durch das ARGE GKV-Bündnis für Gesundheit in Hessen gefördert. Das ARGE GKV-Bündnis für Gesundheit in Hessen ist eine Arbeitsgemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherungen, die die Krankenkassen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgabe der Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten sowie der Umsetzung der Landesrahmenvereinbarung unterstützt.
Fotos: © HAGE