nachricht
„Ich sehe mich als Brückenbauerin im Gesundheitswesen“
Gesundheitskoordinatorin Beate Sohl im HAGE-Interview

Im Interview • Beate Sohl
Mit verschiedenen Angeboten begleitet die HAGE die Arbeit von Gesundheitskoordinierenden in Hessen. Wir haben gefragt: Wie verstehen sie ihre Arbeit? Wie sieht Gesundheitskoordination in der Praxis vor Ort aus? Wo gibt es Erfolge, wo Herausforderungen, welche Wünsche bestehen?
Nach unserem Interview mit zwei Gesundheitskoordinator*innen der Region Kassel haben wir nun mit Beate Sohl, Gesundheitskoordinatorin des Rheingau-Taunus-Kreises, gesprochen.

Beate Sohl: Ich sehe mich als Brückenbauerin im Gesundheitswesen. Gesundheitskoordination heißt, Akteur*innen und Angebote im Gesundheitswesen sinnvoll miteinander zu vernetzen. Ich organisiere, vermittle und bringe Menschen zusammen. Ziel ist es, dass Bürger*innen die bestmögliche Unterstützung erhalten – regional und überregional. Dabei geht es vor allem um Zusammenarbeit: Wir schaffen Netzwerke, die für alle Beteiligten zugänglich sind, und fördern Kooperationen, die im Alltag tatsächlich wirken. Beteiligte werden genauso wie Abläufe und Angebote im Gesundheitswesen inhaltlich bedarfsorientiert zusammengebracht. Beispiele sind hier das Pilotprojekt „Sozialraumorientierung Lorch“, die „Regionale Gesundheitskonferenz“ oder die Mitwirkung im „Gesunde Städte-Netzwerk“.
Ziel ist es, dass Bürger*innen die bestmögliche Unterstützung erhalten.
Sohl: Beruflich motiviert hat mich, einen Beitrag zur besseren regionalen Versorgungsqualität zu leisten. In meiner Rolle kann ich Schnittstellen zwischen Patient*innen, Ärzt*innen, Pflege, Therapien und Institutionen herstellen und so helfen, dass interdisziplinäre Zusammenarbeit gelingt. Gesundheitskoordination ist ein dynamisches Feld – sie erfordert nicht nur Organisationstalent, sondern auch stetige Weiterqualifizierung in Medizin, Sozialem und Management. Mich reizt die Mischung, konzeptionell, beratend und begleitend tätig zu sein.
Sohl: Ich arbeite eng mit den verschiedensten Akteur*innen zusammen: Ärzt*innen, Pflegekräften, Therapeut*innen, Krankenkassen, Beratungsstellen, kommunalen Einrichtungen und natürlich auch den Bürger*innen selbst. Darüber hinaus pflege ich hausintern enge Kooperationen mit unterschiedlichen Fachdiensten. Je nach Thema kommen auch Schulen, Betriebe oder Selbsthilfegruppen hinzu. Diese Vielfalt macht meine Arbeit spannend und anspruchsvoll.
Sohl: Ein zentrales Thema bleibt die Krankenhausreform, insbesondere die Sicherstellung einer wohnortnahen Grund- und Notfallversorgung. Daneben gewinnen Querschnittsthemen an Bedeutung: ein effizientes Schnittstellenmanagement zwischen ambulantem und stationärem Bereich, die Chancen der Telemedizin und digitaler Innovationen sowie die Stärkung der Gesundheitsförderung und der ambulanten Versorgung. Auch die Versorgung im ländlichen Raum, Mobilität, Patient*innenbefähigung und der Aufbau von medizinischen Versorgungszentren sind für uns wichtige Themenfelder.
Querschnittsthemen gewinnen an Bedeutung.
Sohl: Es gibt einige Projekte, die mir sehr am Herzen liegen. So leite ich seit 2020 den Runden Tisch „Hospiz- und Palliativversorgung“. Außerdem richten wir seit 2021 einen jährlichen Gesundheitsförderpreis aus und bauen seit 2024 ein Ärztenetzwerk im Idsteiner Land auf. Besonders freut mich auch unsere digitale Gesundheitsreihe „Grenzenlos gesund“ für Bürger*innen, die wir seit einem Jahr regelmäßig gemeinsam mit drei weiteren hessischen Landkreisen anbieten. Ziel ist es, die Gesundheitskompetenz zu stärken. Hinzu kommen regionale Präventionsprojekte wie „Herzensangelegenheit“ oder der „Hitzeaktionsplan“ sowie Projekte in Kooperation mit unserem Kompetenzzentrum Pflege. Diese Projekte zeigen, wie gute Netzwerkarbeit und Engagement in konkrete Verbesserungen münden können.
Sohl: Die Herausforderungen sind vielfältig. Unterschiedliche Akteur*innen im Gesundheitswesen haben oft verschiedene Strukturen, Interessen und Kommunikationswege, was die Vernetzung erschwert. Der Informationsaustausch ist nicht immer standardisiert, wodurch Doppelarbeit entstehen kann. Hinzu kommt, dass viele Koordinationsstellen zeitlich befristet und von Fördermitteln abhängig sind – nachhaltige Strukturen zu schaffen, ist daher nicht einfach. Zudem fehlen digitale Schnittstellen zwischen Kliniken, Praxen und Pflegeeinrichtungen, und der Fachkräftemangel betrifft uns alle. Trotz dieser Hürden sehe ich genau darin meine Aufgabe: Netzwerke aufbauen, Vertrauen schaffen und gemeinsam tragfähige Lösungen entwickeln.
Sohl: Ich wünsche mir stabile und langfristige Finanzierungen, damit diese wichtige Arbeit nachhaltig fortgeführt werden kann. Ebenso wichtig sind klare Zuständigkeiten und einheitliche Standards für die Gesundheitskoordination. Wir brauchen auch mehr Unterstützung in der Prävention und Gesundheitsförderung, und zwar niedrigschwellige regionale Angebote, die frühzeitig ansetzen. Und schließlich wünsche ich mir, dass Digitalisierung nicht als Belastung, sondern als Chance verstanden wird – mit funktionierenden Schnittstellen, weniger Bürokratie und sicherer Kommunikation.
Interview: Christina Vey; Redaktion: Dr. Claudia Mauelshagen, Mara Springer