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Gesund altern in der Kommune – Lebendige Quartiere für ein gutes Altern

Bericht zur Veranstaltung am 27.08.2025

22. Oktober 2025
Senioren-, Generationen- und Nachbarschaftshilfen tragen seit vielen Jahren maßgeblich zur Bewältigung von Herausforderungen bei, die durch unsere älter werdende Gesellschaft entstehen. Vor diesem Hintergrund widmete sich die Fachtagung dem Thema „Lebendige Quartiere für ein gutes Altern“.
Ein rotes und ein blaues Seil, die in der Mitte miteinander verschlungen sind

 

 

 

 

 

 

Welche konkreten Maßnahmen können Kommunen und lokale Akteur*innen ergreifen, um lebendige Quartiere zu fördern und soziale Isolation zu reduzieren? Welche Anknüpfungspunkte bestehen für ein gutes Altern im Quartier unter anderem in den Bereichen Stadtentwicklung, Sozialraumgestaltung und Ehrenamtsförderung? 

Mit diesen Fragen setzte sich die Fachtagung „Gesund altern in der Kommune – Lebendige Quartiere für ein gutes Altern“ auseinander. Zu ihr hatten der Arbeitsbereich „Gesund altern“ der HAGE und die hier angesiedelte Fach- und Vernetzungsstelle Senioren- und Generationenhilfe eingeladen.  

Rund 150 Teilnehmende aus Kommunalverwaltungen, Stadtentwicklung, Sozial- und Altenplanung, Wohlfahrtsverbänden, Quartiersprojekten sowie aus Ehrenamt und Selbsthilfe kamen im Haus am Dom in Frankfurt zusammen. Sie diskutierten zentrale Fragen einer generationenfreundlichen Quartiersgestaltung und erhielten anhand von Praxisbeispielen viele Inspirationen für die Umsetzung vor Ort.

Vorträge, Talkrunden, Workshops

Impulse aus Wissenschaft und Praxis

„Wir müssen Quartiere so gestalten, dass ältere Menschen nicht nur versorgt werden, sondern Teil einer lebendigen Gemeinschaft bleiben“, betonte Dr. Sonja Optendrenk, Staatssekretärin im Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege (HMFG) in ihrem Grußwort. 
Dr. Katharina Böhm, Geschäftsführerin der HAGE, verdeutlichte in ihrer Begrüßung die Rolle der HAGE als Vernetzungs- und Fachstelle: Mit ihrem Arbeitsbereich „Gesund altern“ unterstützt die HAGE Kommunen, Initiativen und Vereine dabei, altersfreundliche Strukturen auf- und auszubauen und die Zusammenarbeit von Akteuren und Multiplikator*innen zu fördern, die gesundheitsfördernde Rahmenbedingungen im Alltag schaffen können. 

Kommunale Gestaltungsspielräume für altersfreundliche Strukturen

Dr. Marlene Jänsch (Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst) führte in das Thema mit einem Fachvortrag ein.
Sie stellte die zentralen Erkenntnisse des Neunten Altersberichts vor und vermittelte, welche kommunalen Gestaltungsspielräume für altersfreundliche Strukturen bestehen – von niedrigschwelligen Beratungs- und Unterstützungsangeboten über bezahlbaren und barrierefreien Wohnraum und soziale Treffpunkte bis hin zu Kooperationen mit Gesundheitseinrichtungen. Entscheidend sei, ältere Menschen aktiv in die Planung einzubeziehen und vorhandene Ressourcen wie Räume, Netzwerke und Förderprogramme gezielt zu nutzen.

Aufbau von Sorgenetzen

Nadine Zollet (Diakonie Hessen) präsentierte das Projekt „Sorgenetze – Sorgestrukturen im Sozialraum neu denken“ als Beispiel dafür, wie im Prozess Unterstützungssysteme für ältere Menschen aufgebaut werden können. 
Ausgangspunkt im Projekt waren Standortscreenings und enge Absprachen mit der Altenplanung, gefolgt von umfassenden Akteurs- und Netzwerkanalysen. Parallel dazu wurden Partnerkommunen gewonnen, das Vorhaben bekannt gemacht und lokale Aktivgruppen gesucht. Eine Bedarfs- und Potenzialerhebung mit aufzusuchenden, niedrigschwelligen Zugängen bildet die Grundlage für die weitere Entwicklung. Deutlich wurde, dass der Aufbau von Sorgenetzen ein längerer Prozess ist, an dem ein Team gemeinsam arbeitet.

Staatssekretärin Dr. Sonja Optendrenk, Hessisches Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege
Dr. Katharina Böhm, Hessische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAGE)
Dr. Marlene Jänsch, Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst
Nadine Zollet, Diakonie Hessen
Austausch im Dialogformat: Möglichkeiten für lebendige Quartiere

Während der interaktiven Talkrunde „3x3-Talk mit Live-Abstimmung“ griffen die Referierenden Nadine Zollet, Gabriele Reichhardt und Peter Kiel gemeinsam mit den Teilnehmenden zentrale Leitfragen rund um lebendige Quartiere auf. Die drei Expert*innen gaben kurze prägnante Impulse, das Publikum konnte direkt dazu abstimmen und anschließend darüber diskutieren. Dieses Format ermöglichte einen Austausch, der die Vielfalt der Perspektiven sowie zahlreiche Möglichkeiten aufzeigte, lebendige Quartiere in hessischen Kommunen zu gestalten.

Talkrunde
Talkrunde
Talkrunde
Workshops mit Blick auf die Praxis

Am Nachmittag ging es in die Tiefe. In vier Workshops diskutierten die Teilnehmenden, wie Generationen miteinander ins Gespräch kommen können, wie soziale Isolation vermieden werden kann, welche Rolle digitale Vernetzung für kommunale Sorgestrukturen spielt und welche Voraussetzungen es für eine nachhaltige, integrative Quartiersgestaltung braucht. Besonders deutlich wurde dabei: Lebendige Quartiere sind keine Blaupause, sondern müssen zu den jeweiligen Gegebenheiten vor Ort passen.

Workshop 1 – Generationenübergreifendes Miteinander

Wie können Kommunen ein generationenübergreifendes Miteinander fördern? Über ihre Erfahrungen hierzu berichteten Hedwig Diekwisch und Daniel Schwertfeger (Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit e. V., Zukunftsraum kommunale Demografiegestaltung) sowie Ayat El Moussaoui (Stadt Frankfurt am Main). Anhand von Praxisbeispielen – z. B. der Öffnung einer Geflüchtetenunterkunft für Quartiersbewohner*innen – wurde deutlich, wie Begegnungsorte entstehen, Nachbarschaften belebt und interkulturelle sowie schichtübergreifende Netzwerke gestärkt werden können. Erfolgsfaktoren sind dabei Beteiligung, niedrigschwellige Angebote und das Vertrauen von Nachbarschaft in verlässliche Ansprechpersonen, die Projekte nachhaltig verankern.

Workshop 2 – Gemeinschaft und soziale Teilhabe (Caring Community)

Peter Kiel (EVIM gGmbH Altenhilfe, ServiceWohnen für Senioren- und Quartiersentwicklung) zeigte anhand zweier Beispiele aus dem städtischem und ländlichem Raum, welche Maßnahmen und Angebote das Gemeinschaftsgefühl stärken und damit die aktive Teilhabe älterer Menschen fördern können. Vorgestellt wurden Ideen, die sowohl praktische Hilfen wie Repair Cafés als auch gesellige Aktivitäten wie einen Geschichtskreis ermöglichen. Zentral ist die Zusammenarbeit aller Akteur*innen im Quartier (z. B. Pflegestützpunkt, Seniorenzentrum, Hausärzt*innen, Vereine). Dabei gilt es insbesondere auch, mit aufsuchenden Angeboten diejenigen Menschen im Blick zu behalten, die durch bestehende Strukturen nicht erreicht werden – die „Stillen“. Hervorgehoben wurde zudem, dass Geben und Nehmen, Hilfe und Unterstützung in jedem Alter möglich sind. Wenn diese Potenziale sichtbar gemacht und genutzt werden, entsteht soziale Teilhabe für alle.

Workshop 3 – Digitale Vernetzung von kommunalen Sorgestrukturen 

Wie können digitale Plattformen die kommunalen Sorgestrukturen effizient vernetzen und bürgerschaftliches Engagement stärken? Zu diesem Thema brachte Thomas Oeben (Helferportal gGmbH & Co. KG) seine Erfahrungen aus der Kreisstadt Dietzenbach ein: Durch eine digitale Bedarfserfassung, passgenaues Matching und einfache Terminbuchung können Hilfesuchende, Dienstleister und Ehrenamtliche schnell und unkompliziert zusammengebracht werden. So entsteht eine sektorenübergreifende, transparente und qualitätsgesicherte Versorgung, die pflegende Angehörige entlastet und Teilhabe fördert. 

Workshop 4 – Nachhaltige und integrative Quartiersgestaltung 

Gabriele Reichhardt (Landeshauptstadt Stuttgart, Referat Soziales, Gesundheit und Integration – Abteilung Strategische Sozialplanung) zeigte, wie Einsamkeit als individuelle und gesellschaftliche Herausforderung verstanden und im Quartier wirksam bekämpft werden kann. Anhand von Daten und Praxisbeispielen verdeutlichte sie, welche Risikofaktoren für Einsamkeit bestehen und welche Folgen chronische Einsamkeit für Gesundheit, Lebensqualität und Demokratie hat. Die Stuttgarter Strategie setzt auf Enttabuisierung, vielfältige Teilhabeangebote und eine vernetzte Quartiersgestaltung, um Begegnungen zu fördern und soziale Beziehungen zu stärken.

Workshop 1: Generationenübergreifendes Miteinander
Workshop 3: Digitale Vernetzung von kommunalen Sorgestrukturen
Workshop 4 Nachhaltige und integrative Quartiersgestaltung
Ein Blick nach vorn: Quartiere generationenfreundlich entwickeln

Zum Abschluss zeigte Coco Weingärtner (SPES Zukunftsmodelle e. V.) Perspektiven auf, wie Quartiere langfristig generationenfreundlich entwickelt werden können. Sie betonte die Notwendigkeit, frühzeitig Strukturen aufzubauen, die Teilhabe, Selbstbestimmung und ein gutes Leben im Alter ermöglichen. Dabei machte sie deutlich, dass Quartiersentwicklung keine Dienstleistung ist, sondern Eigeninitiative und gemeinsames Handeln erfordert. Entscheidend seien kleine, wirksame Projekte wie ein Begegnungscafé, über die sich Mitstreitende gewinnen lassen, ebenso wie die Nutzung von Förderprogrammen, der Abbau bürokratischer Hürden und das Zulassen echter Mitgestaltung. Wichtig sei eine Haltung, die Möglichkeiten eröffnet statt verhindert, Verantwortung teilt und Quartiersentwicklung immer als ganzheitlichen Prozess versteht.

Eine Person spricht in ein Mikrofon
Coco Weingärtner (SPES Zukunftsmodelle e. V.)

Fazit: Quartiere als Schlüssel für gutes Altern

Die Fachtagung hat deutlich gemacht: Quartiere sind ein Schlüssel für gutes Altern. Entscheidend ist das Zusammenspiel von Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft und bürgerschaftlichem Engagement. Ebenfalls braucht es feste Ansprechpersonen und Netzwerker*innen vor Ort, die Strukturen auf- und ausbauen sowie deren Weiterentwicklung im Blick haben. Die Veranstaltung bot nicht nur wertvolle Impulse, sondern vor allem die Gelegenheit, voneinander zu lernen und neue Ideen mit zu nehmen.

Impressionen des Tages

Titelbild: © peterschreiber-media - stock.adobe.com
Fotos: © HAGE/AndreasMann.net