18.05.22 – Gerecht verteilt?! Herausforderungen gesundheitlicher Chancengleichheit gemeinsam meistern

Am 18.05.2022 fand der digitale Jahresfachtag der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Hessen unter dem Titel "Gerecht verteilt?! Herausforderungen gesundheitlicher Chancengleichheit gemeinsam meistern" statt. Gleichzeitig feierte die KGC Hessen ihr fünfjähriges Bestehen, schaute damit auf die letzten fünf Jahre und wagte einen Ausblick auf aktuelle sowie zukünftige Herausforderungen. Die Leitfrage des Jahresfachtags, die den Referierenden, den Teilnehmenden und den Diskutierenden der Podiumsdiskussion mitgegeben wurden, lautete dementsprechend: Wie kann eine resiliente soziallagenbezogene Gesundheitsförderung in Hessen aussehen?

  • Hintergrund

    Die soziallagenbezogene Gesundheitsförderung in Hessen steht zurzeit großen Herausforderungen gegenüber. In der aktuellen Bewältigung verschiedener Krisen  der anhaltenden Corona-Pandemie, den bereits spürbaren Folgen des Klimawandels und den Auswirkungen internationaler Konflikte  sind viele hessische Akteur*innen stark belastet. Diese und weitere Herausforderungen verschärfen die soziale und gesundheitliche Ungleichheit in Hessen weiter. Gleichzeitig haben sich aber auch neue Netzwerke und Partnerschaften gebildet, die vor allem auf lokaler Ebene neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen. 
    Mit dem Jahresfachtag der KGC Hessen wurde der Fokus auf die Stärkung und krisenfeste Weiterentwicklung der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung gelegt, um den aktuellen und zukünftigen Anforderungen resilient begegnen zu können. 

  • Zusammenfassung des Fachtags

    Der Tag startete mit den Grußworten von

    • Frau Anne Janz (Hessische Staatssekretärin für Soziales und Integration),
    • Frau Kerstin Roth (Abteilungsleiterin Prävention der AOK Hessen) und
    • Frau Dr. Katharina Böhm (Geschäftsführerin der HAGE).

    Frau Maike Voss, KLUG – Deutsche Allianz für Klimawandel und Gesundheit e. V., führte als Moderatorin durch den Tag.

    In einem gemeinsamen Impulsvortrag berichteten Frau Maike Olberding, Hessisches Ministerium für Soziales und Integration, und Frau Mona Nüchter, AOK Hessen, von den Entwicklungen der gesundheitlichen Chancengleichheit in Hessen, angefangen bei dem Präventionsgesetz §20a SGB V über die Landesrahmenvereinbarung bis hin zur Einrichtung der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Hessen. Abschließend stellten sie die Erfolge der gesundheitlichen Chancengleichheit in Hessen dar und endeten mit einem Ausblick. Die Entwicklungen, Erfolge und der Ausblick wurden jeweils aus der Sicht des Landes Hessen und aus der Sicht der gesetzlichen Krankenkassen in Hessen betrachtet.

    Anschließend stellten die beiden Referentinnen der KGC Hessen ihre Arbeit in einem Interview dar. Dabei ging Frau Claudia Ostermann zuerst darauf ein, wie die Anfänge der KGC-Arbeit in Hessen aussahen, wie sich die KGC und die Landschaft der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung seitdem entwickelt hat und welche Strukturen ausgebaut und weiterentwickelt wurden. Zudem wurden die verschiedenen Qualifizierungsformate der KGC zur Unterstützung der Multiplikator*innen in den Kommunen vorgestellt. Da die Coronapandemie Auswirkungen auf die Arbeit der KGC Hessen hatte, beleuchtete Claudia Ostermann die Auswirkungen und Herausforderungen der Pandemie zum einen auf die Arbeit mit den hessischen Akteuren in den Kommunen und zum anderen auf den Einstieg als neue Mitarbeiterin der KGC Hessen. Abschließend beschrieb Frau Nicole Waliczek, wie die Arbeit der KGC Hessen zukünftig aussehen wird und was die KGC Hessen braucht, um ihre Arbeit noch besser machen zu können.

    An das Interview anknüpfend berichteten Frau Dr. Manuela Schade, Stadt Frankfurt, und Herr Rolf Reul, Landkreis Marburg-Biedenkopf, als kommunale Vertreter*innen von ihrer Arbeit im hessischen Partnerprozess "Gesundheit für alle". Dabei gingen sie jeweils auf die vorhandenen Strukturen und Strategien im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention in ihrer Kommune ein. Auch berichteten sie, was sich in den letzten fünf Jahren in der Landschaft der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung und Prävention in Hessen sowie in ihren Kommune verändert hat und wo sie zukünftigen Handlungsbedarf im Bereich der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung in Hessen und in ihren Kommunen sehen. Außerdem stellten sie den bundesweiten Partnerprozess „Gesundheit für alle“ mit seinen Zielen dar.

    Nach einer kurzen Kaffeepause ging es mit dem Fachvortrag Aktuelle Entwicklungen der Gesundheitlichen Chancengleichheit - Wie chancengerecht ist unsere Gesellschaft?“ von Herrn Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, der Paritätische Bundesverband, weiter.

    Im Anschluss folgte der Vortrag mit dem Titel "Kommunale Veränderungsprozesse: Handlungsfähig in Krisenzeiten - Wie packen wir es an?" von Frau Carolin Silbernagl, zukunft zwei Berlin.

    Nach der Mittagspause wurden drei verschiedene Fachforen angeboten, die sich jeweils mit einem anderen Schwerpunkt im Hinblick auf eine krisenfeste Stärkung der Gesundheitsförderung in Hessen beschäftigte. In den Fachforen wurde jeweils ein Fachvortrag und ein Praxisbeispiel vorgestellt.

    Fachforum 1: Daten für Taten – Sozialräumliche Analysen

    Moderation: Claudia Ostermann, KGC Hessen

    Referentinnen: 

    Fachforum 2: Partizipation in der gesundheitlichen Chancengleichheit

    Moderation: Nicole Waliczek, KGC Hessen

    Referentin: 

    Fachforum 3: Klima, Umwelt und gesundheitliche Chancengleichheit

    Moderation: Anna Kleine, HAGE

    Referentin: 

    • Gesundheitliche Ungleichheit in Zeiten des Klimawandels 
      Hamburger Klimaplan       
      Maren Fendt, FTZ für Nachhaltigkeit und Klimafolgenmanagement (HAW Hamburg)

    Im Anschluss an die Fachforen stellte Frau Prof. Dr. Susanne Moebus Leiterin des Instituts für Urban Public Health, Universitätsmedizin Essen in ihrem Impulsvortrag dar, wie Resilienz und Stadt aus Sicht von (Urban) Public Health zu betrachten sind.

    Zum Abschluss fand eine Podiumsdiskussion mit Beiträgen von Frau Prof. Dr. Susanne Moebus, Leiterin des Instituts für Urban Public Health, Universitätsmedizin Essen, Frau Dr. Katharina Böhm, Geschäftsführerin der HAGE, Herrn Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, der Paritätische Bundesverband, und Herrn Dr. Peter Tinnemann, Leiter des Gesundheitsamtes Frankfurt am Main, statt. Durch die Diskussionsbeiträge der Podiumsgäste konnten einerseits Herausforderungen und Barrieren, andererseits auch Erfolgsfaktoren im Bereich der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung identifiziert werden. Gleichzeitig konnten anhand der Lessons learned aus der Corona-Pandemie nächste Schritte für eine krisenfestere Gestaltung der Gesundheitsförderung für die Zukunft ausgearbeitet werden.

    Bei inhaltlichen Rückfragen zu den Vorträgen wenden Sie sich gerne per E-Mail an uns: kgc-hessen@hage.de

  • Videos des Fachtags
    • Fachvortrag: Aktuelle Entwicklungen der gesundheitlichen Chancengleichheit - Wie chancengerecht ist unsere Gesellschaft?
      Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, der Paritätische Bundesverband
      vortrag_herr_rosenbrock.mp4
    • Kommunale Veränderungsprozesse: Handlungsfähig in Krisenzeiten - Wie packen wir es an? 
      Carolin Silbernagl, zukunft zwei Berlin
      vortrag_frau_silbernagel.mp4
    • Impuls: Resilienz und Stadt aus Sicht von (Urban) Public Health
      Prof. Dr. Susanne Moebus, Leiterin des Instituts für Urban Public Health, Universitätsmedizin Essen
      vortrag_frau_moebus.mp4
    • Podiumsdiskussion: Auf dem Weg zu einer krisentauglichen und resilienten soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung in Hessen
      Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, der Paritätische Bundesverband
      Prof. Dr. Susanne Moebus, Leiterin des Instituts für Urban Public Health, Universitätsmedizin Essen
      Dr. Peter Tinnemann, Leiter des Gesundheitsamtes Frankfurt am Main
      Dr. Katharina Böhm, Geschäftsführerin der HAGE
      podiumsdiskussion.mp4
  • Resilienz als Kompass für Gesundheitsförderung und Prävention für alle und für zukünftige Generationen in Hessen

    Ziele einer resilienten Gesundheitsförderung sind es, das eigene Handlungsfeld so auszurichten, dass es erstens vorausschauend und strategisch auf zukünftige Krisen vorbereitet ist, zweitens innerhalb und außerhalb von Gesundheitskrisen bei der Entwicklung von krisenbezogenen Gesundheitsmaßnahmen von entscheidenden Akteur*innen berücksichtigt und eingebunden wird und drittens in der Lage ist, gesundheitsfördernde und präventive Angebote und Strukturen im Krisenfall effektiv und sichtbar zu unterstützen. Um diese Ziele in und nach der Pandemie zu erreichen, ist es aktuell notwendig, die vielfach strapazierten Mitarbeitenden zu entlasten und Raum für Erfahrungsaustausch zu ermöglichen – der Jahresfachtag war ein solcher Reflexionsraum. Resilienz in einer Gesundheitskrise, wie der noch anhaltenden Corona-Pandemie, aufzubauen und zu stärken, ist eine Herausforderung an sich. Idealerweise wird die Fähigkeit zur Bewältigung einer Krise, durch strategische Planung, das Vorhalten ausreichender Kapazität und durch sektorübergreifende und regelmäßige, gemeinsame Übungen aufgebaut, bevor diese eintritt. Dabei haben vor allem wohnortnahe und soziallagenbezogene Gesundheitsförderung und Prävention eine hohe Relevanz für die Krisenprävention und sind ein maßgeblicher Faktor zur Krisenbewältigung sowie der Stärkung von Resilienz – vor allem durch die Vernetzung der Akteur*innen in Hessen. 

    Ein großer Mehrwert, den Akteur*innen der Gesundheitsförderung liefern können, ist ihre Erfahrung in der intersektoralen Zusammenarbeit und in der Qualität ihrer Netzwerke auf verschiedenen, aber insbesondere auf kommunalen Ebenen. Gesammelte Erfahrungen während der Pandemie zeigen, dass dort, wo bereits stabile Netzwerke in den Kommunen existierten, Gesundheitsrisiken schneller erkannt, aufgefangen und bewältigt werden konnten. Die Nähe zu den Menschen und ihren Bedarfen und ein enger Austausch vor Ort schafften Vertrauen in die Akteur*innen der Gesundheitsförderung und in das Gesundheitswesen als Ganzes.

    Der Partnerprozess in Hessen zeigt, dass die Beziehungsqualität zwischen den Akteur*innen, Erfahrungsaustausch und gemeinsame Qualifizierungen, wie von der KGC Hessen in den letzten fünf Jahren initiiert und begleitet, essentiell sind. Auf dem Jahresfachtag wurde identifiziert, dass weitere Qualifizierungen sowie Nachwuchsförderung notwendig sind, um vor allen erfahrene Kolleg*innen in den Kommunen zu entlasten. Kommunale/ Städtische Gesundheitskonferenzen können alle relevanten Akteure zusammenbringen, um gemeinsam Strategien zu entwickeln und die Kommune als zentrales Setting für Gesundheitsförderung und Prävention zu stärken. Dabei sollten alle Lebensphasen der Bevölkerung berücksichtigt werden. Neue Wege braucht es vor allem in einer integrierten Gesundheitsberichterstattung, die neben Gesundheitsdaten auch Umwelt- und Klimafaktoren berücksichtigt – im Idealfall auf Knopfdruck. Für die Zukunft sind Bedarfsanalysen als Teil von Projekt- und Programmplanung und -durchführung zu berücksichtigen, die auch eine Analyse einschließt, welche Zielgruppe in vergangenen Projekten nicht erreicht wurde.

    Rückfragen können Sie gerne an Maike Voss richten.

    Literatur

  • Konkrete nächste Schritte

    Um auf eine mögliche nächste Covid-19 Variante im Herbst/Winter vorbereitet zu sein, ist es jetzt ratsam, Kapazitäten aufzubauen und freizuhalten. Eine Risikomatrix, wie sie vom Gesundheitsamt in Frankfurt am Main aktuell erstellt ist, kann dabei unterstützen. Auch ist dafür die enge Zusammenarbeit zwischen privaten Trägern, staatlichen Einrichtungen wie dem öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD), kommunalen Akteur*innen der Gesundheitsförderung, der KGC Hessen und der Zivilgesellschaft essentiell. Projektplanung und -umsetzung können zusätzlich noch stärker wissenschaftlich begleitet werden.

    Für die Kommunikation auf kommunaler und auf Landesebene ist es wichtig, positive Zukunftsbilder zu kommunizieren. Helfen dabei kann das Konzept der "Co-Benefits" (z. B. Ausbau des Radverkehrs: gut für die Gesundheit, gut für die Umwelt/Klima, da sich dadurch die Luftverschmutzung reduziert).

    Die Kernkompetenzen der Gesundheitsförderung schließen Empowerment und Partizipation von Zielgruppen, einen Fokus auf Settings (statt auf Individuen) sowie Erfahrungen erfolgreicher Koordinierung unterschiedlicher Disziplinen im Gesundheitswesen ein. Auch in der Wissensvermittlung und in der ansprechenden Darstellung von "Good Practice"-Beispielen, die vielversprechend für die Umsetzung in anderen Settings oder in der Fläche sind, liegen Kompetenzen von Akteur*innen der Gesundheitsförderung. Um mit Unsicherheiten, die durch neue und gleichzeitig auftretende Krisen entstehen, strategisch umzugehen, bedarf es sowohl fachlicher, kommunikativer als auch politischer Kompetenzen. Krisenzeiten sind Zeiten für die Exekutive, benötigen aber gleichzeitig ein hohes Maß an Partizipation, um Zielgruppen bedarfsgerecht und wirkungsvoll einzubinden.

    Rückfragen können Sie gerne an Maike Voss richten.

    Literatur

  • Organisation

    Die Veranstaltung wird von der Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Hessen organisiert. Sie ist an die Hessische Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAGE) angegliedert.

    Die Koordinierungsstelle ist Teil des bundesweiten Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit und wird durch die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) im Auftrag und mit Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Bündnis für Gesundheit) sowie durch das Hessische Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) gefördert.

Wir bedanken uns bei allen Teilnehmenden für das große Interesse an der Tagung und für den gelungenen Austausch. 


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