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Präventionsketten Hessen – Gemeinsam stark für ein gelingendes Aufwachsen in Hessen
Bericht zum Jahresfachtag des Landesprogramms „Präventionsketten Hessen“ am 10.12.2024

Der Jahresfachtag des Landesprogramms „Präventionsketten Hessen“ am 10.12.2024 in der Evangelischen Akademie Frankfurt wurde unter dem Motto "Gemeinsam stark für ein gelingendes Aufwachsen in Hessen – voneinander lernen für (neue) kreative Lösungsideen" veranstaltet.
Seit Beginn des Landesprogramms „Präventionsketten Hessen" 2022 haben zehn hessische Kommunen verschiedene Prozessschritte zum Auf- und Ausbau einer integrierten Gesamtstrategie für ein gelingendes Aufwachsen vor Ort unternommen. Der Fachtag bot Gelegenheit, gemeinsam einen Blick auf die Entwicklungen der beteiligten Kommunen im Landesprogramm zu werfen und sich zu verschiedenen Ansätzen, Erfahrungen, Herausforderungen und Zukunftsperspektiven auszutauschen. Dazu kamen rund 100 Teilnehmende aus hessischen Kommunen, der Landes- und Bundesebene zusammen.
Begrüßung & Grußworte
Zur Eröffnung des Jahresfachtages begrüßten Feridun C. Öztropak (Moderator der Veranstaltung), Rajni Kerber (Leitung des Landesprogramms "Präventionsketten Hessen", HAGE) sowie Ministerin Diana Stolz vom Hessischen Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege (HMFG) die Teilnehmenden. Frau Stolz betonte in Ihren Grußworten die Bedeutung des gemeinsamen Engagements und des Landesprogramms für ein gelingendes Aufwachsen von Kindern in Hessen.
Rajni Kerber sprach zusammen mit Sabine Stahl (Hessisches Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege, Referentin/stellv. Referatsleitung im Referat Familienpolitik, Frühe Hilfen, Kinderschutz) und Marc von Krosigk (Geschäftsführer, Auridis Stiftung) über Relevanz und Zukunftsperspektiven von Präventionsketten als strategisches Maßnahmenbündel gegen Kinderarmut. Sie betonten, wie wichtig es ist, weiter an Strategien zu arbeiten, um Kinderarmut zu bekämpfen. Denn in Hessen ist bereits jedes vierte Kind von Armut betroffen. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist dabei das Konzept der Präventionsketten. Es soll vor Ort dabei helfen, Strategien zu entwickeln, die die Folgen von Kinderarmut bekämpfen und Kinder sowie Familien dabei unterstützen, gut aufzuwachsen. Alle Anwesenden betonten ihre Entschlossenheit, die Präventionsketten in Hessen auch über das Jahr 2025 hinaus weiterzuentwickeln und nachhaltig zu fördern.

Präventionsketten Hessen – Ein Blick hinter die Kulissen
Stellvertretend für die Landeskoordinierungsstelle Präventionsketten Hessen gab Dr. Sarah Mümken einen „Blick hinter die Kulissen“. Sie stellte die Grundidee einer Präventionskette sowie die konkrete Ausgestaltung des Landesprogramms in Hessen dar. Ziel ist es, durch eine integrierte kommunale Gesamtstrategie allen Kindern ein gelingendes und chancengerechtes Aufwachsen zu ermöglichen. Gemeinsam sollen Ressourcen gebündelt und Doppelstrukturen vermieden werden.
Bernd Hormuth, stellvertretender Amtsleiter des Jugendamts der Stadt Offenbach am Main, gab einen kompakten Einblick in die Umsetzung der Präventionskette in Offenbach, angefangen beim Beschluss der Stadtverordneten bis hin zur Strategie und Arbeitsstruktur. Er betonte die Wichtigkeit eines armutssensiblen Handelns, bei dem Fachkräfte für verdeckte Armut sensibilisiert werden und passgenaue Unterstützung leisten. Herr Bernd Hormuth machte deutlich, dass diese Maßnahmen langfristig die Lebensbedingungen von Kindern und Familien verbessern sollen.
Impulse aus der Wissenschaft
Dr. Gerlinde Janschitz, wissenschaftliche Referentin des Deutschen Jugendinstituts, präsentierte die Herausforderungen und Chancen für ein gelingendes Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen. Die zentralen Themen ihres Vortrages waren die Bekämpfung von Kinderarmut, die Förderung von Chancengleichheit und die Beteiligung von Kindern an politischen und sozialen Entscheidungsprozessen.
Ein wichtiger Rahmen für diese Maßnahmen ist die Europäische Garantie für Kinder, die soziale Ausgrenzung verhindern und allen Kindern den Zugang zu grundlegenden Diensten wie Bildung, Gesundheitsversorgung und angemessenem Wohnraum sichern soll. In Deutschland wurde hierzu 2023 der Nationale Aktionsplan (NAP) „Neue Chancen für Kinder“ verabschiedet, der sich das Ziel gesetzt hat, die Lebensbedingungen von Kindern unter 18 Jahren, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, spürbar zu verbessern.
Dr. Janschitz betonte, dass ein gelingendes Aufwachsen aller Kinder eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Strukturen und politische Rahmenbedingungen müssen Kinder in den Mittelpunkt stellen und ihnen Perspektiven bieten.
Die Fachforen mit Praxisbeispielen aus den teilnehmenden Kommunen
In den Fachforen wurden Praxisbeispiele aus den teilnehmenden Kommunen präsentiert, die konkrete Maßnahmen und deren Umsetzung im Rahmen der vier Leitdimensionen Gesundheitsförderung, Chancengerechte Strukturentwicklung, Kinderrechte und Wirkungsorientierung aufzeigten. Die Teilnehmenden konnten in zwei Durchgängen unterschiedliche Foren besuchen und eine Vielfalt an Ansätzen und Maßnahmen kennenzulernen.
Das Fachforum „Gesundheitsfördernde Maßnahmen in der Präventionskettenarbeit“ betonte mit den Beispielen aus der Stadt Frankfurt und dem Odenwaldkreis die ressortübergreifende Zusammenarbeit mit dem Sektor Gesundheit. Jihan Baday präsentierte die Arbeit der Präventionsketten im Odenwaldkreis, die in enger Zusammenarbeit mit den Frühen Hilfen, der Gesundheitskoordinatorin und weiteren relevanten Akteur*innen vor Ort durchgeführt wird. Im Sozialraum Höchst wurden zentrale Themenfelder für Kinder und Familien identifiziert: Chancengerechtigkeit, Sprachförderung, Gesundheit, Teilhabe und Integration. Auf dieser Grundlage entstand eine ganzheitliche, sozialräumliche Angebotsstruktur in Kooperation mit Akteur*innen aus Landkreis und Gemeinde Höchst.
Im Anschluss berichtete Philipp Gombert, Präventionskettenkoordinierender in der Stadt Frankfurt, vom Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt über die Entwicklung einer Stadtkarte. Die digitale Angebotskarte soll eine Übersicht über relevante Anlaufstellen (Ärzte, Apotheken, Spielplätze, Kinder- und Familienzentren, Kitas etc.) geben sowie bestehende Angebote transparent sichtbar machen. Die Karte dient der Transparenz der Angebote vor Ort und soll mit dem ausgewählten Stadtteil Zeilsheim beginnen und dann auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet werden.
Das Fachforum „Chancengerechte Strukturentwicklung in der Präventionskettenarbeit“ bot spannende Einblicke in Ansätze und bewährte Maßnahmen zur Förderung von Chancengerechtigkeit.
Myriam Lamotte-Heibrock, Präventionskettenkoordinierende im Werra-Meißner-Kreis, stellte den „Tag der Familienleistung“ vor – ein aufsuchendes Beratungsangebot, das Familien frühzeitig und direkt vor Ort über finanzielle Leistungen informiert, sie berät und bei der Antragstellung unterstützt. Dabei kooperieren verschiedene Sozialleistungsträger eng miteinander und bieten einmal im Monat zu festen Terminen im Sozialraum kostenlose Beratung an, um eventuelle Leistungsansprüche aufzuzeigen und zugänglich zu machen.
Ebenfalls am Vormittag präsentierte Astrid Dietmann-Quurk (AKTION - Perspektiven für junge Menschen und Familien e.V.) das „Netzwerk Kinder von Inhaftierten“. Dieses Netzwerk setzt sich gezielt für die Unterstützung und Begleitung von Kindern ein, deren Eltern inhaftiert sind, und trägt so dazu bei, die spezifischen Herausforderungen dieser Familien sichtbar zu machen und ihnen bedarfsgerechte Unterstützung anzubieten.
Am Nachmittag präsentierten Kristina Salman und Linda Huf-Hoko von „Teamw()rk für Gesundheit und Arbeit“ das „Café Wohlzeit“ als ein gelungenes Beispiel für chancengerechte Strukturentwicklung. Das Café bietet einen Ort der Begegnung, Beratung und Vernetzung, der sich an die Bedürfnisse der teilnehmenden Frauen orientiert und einen niedrigschwelligen Zugang zu Angeboten schafft, die die soziale und gesundheitliche Teilhabe fördern.
Im Fachforum „Kinderrechtebasierte Maßnahmen in der Präventionskettenarbeit“ präsentierten Lena Schandor, Präventionskettenkoordinierende im Schwalm-Eder-Kreis und Mareike Zielke, Präventionskettenkoordinierende im Landkreis Hersfeld-Rotenburg Aktivitäten zur Förderung von Kinderrechten in ihren Kommunen.
Lena Schandor präsentierte, wie am 20. September, dem jährlichen Weltkindertag, im Schwalm-Eder-Kreis eine Grundschulklasse für einen Tag die Geschicke des Landkreises übernahm und politische Partizipation hautnah erlebte. Dabei zeigte sie, wie das Recht auf politische Beteiligung praxisnah vermittelt wird, indem Kinder durch direkte Mitbestimmung lernen, wie Politik funktioniert. Die Kinder bildeten Parteien, gestalteten Wahlplakate und setzten Themenschwerpunkte. In einer Kinderkreisausschusssitzung in der Kreisverwaltung präsentierten die jungen Politiker*innen ihre Programme, anschließend wurde gewählt: Die „Landwirtschaft-Hühner-Partei“ gewann und erhielt ein Budget von 1.500 Euro, um ihre Idee umzusetzen.
Mareike Zielke, stellte vor, wie der Landkreis Hersfeld-Rotenburg 2024 mit innovativen Projekten und Maßnahmen die UN-Kinderrechtskonvention in gelebte Praxis umsetzte. Eine Umfrage unter Verwaltungsmitarbeitenden zur Bekanntheit der UN-Kinderrechtskonvention gab Impulse wie Workshops zur stärkeren Verankerung der Kinderrechte. Am Weltkindertag lud ein Kreativwettbewerb Kinder und Jugendliche ein, die vier Grundprinzipien der Konvention zu thematisieren. Eine Jury aus Kindern, Verwaltung und Expert*innen bewertete die Beiträge.
Mit diesen Aktionen setzte der Landkreis ein klares Zeichen: Kinderrechte stehen im Fokus und sind rechtlich verbindlich, keine freiwillige Leistung. Frau Zielke hob hervor, wie kreative Ansätze die Rechte junger Menschen fördern und ihre Beteiligung stärken können.
In dem Fachforum „Wirkungsorientierung in der Präventionskettenarbeit“ wurden die Teilnehmenden zunächst kurz inhaltlich in das Thema Wirkungsorientierung eingeführt. Auch wurde das Wirkungsmodell des Landesprogrammes Präventionsketten Hessen vorgestellt.
Im Anschluss wurden die praktischen Erfahrungen zweier hessischer Kommunen mit der wirkungsorientierten Arbeit beim Auf- und Ausbau von Präventionsketten präsentiert. Bettina Kroh, die in Kassel den Aufbau der Präventionskette begleitet, berichtete, wie in ihrer Kommune der Prozess der Wirkungsorientierung abgelaufen ist. Sie stellte den Ablauf und die Inhalte des kommunalen Wirkungsorientierungsworkshops dar. Anschließend gab Karin Bahlo einen Einblick in ihre Arbeit als Koordinatorin in der Stadt Offenbach. Zu Beginn ihrer Arbeit im Landesprogramm bot das zuvor entwickelte kommunale Wirkungsmodell eine hilfreiche Orientierung zu den Zielen. Diese gesetzten Ziele werden in der Stadt Offenbach durch Befragungen von Kindern und Eltern dahingehend überprüft, ob diese auch von den Kindern und Familien als gleichermaßen relevant eingeschätzt werden.
Impulsvortrag „Netzwerken ist kein Luxus“
Dr. Heinz-Jürgen Stolz vom Qualitätsverbund Präventionsketten hielt einen Fachvortrag mit dem Titel „Netzwerken ist kein Luxus“. Unter dem Leitgedanken „Sinnfokussierung: Kommunale Präventionsketten als Fachkonzept“ betonte er, dass Präventionsketten ein Gemeingut seien und ein kinderfreundliches Gemeinwesen voraussetzen.
Dr. Stolz verdeutlichte, dass eine kommunale Gesamtstrategie ein Leitbild, ein integriertes Handlungskonzept und wissensbasiertes, wirkungsorientiertes Handeln umfassen müsse. Besonders betonte er, dass die Implementierung von Präventionsketten einen langfristigen Prozess darstellt, der in der Regel sieben bis zehn Jahre dauert. Die ersten ein bis zwei Jahre dienen lediglich dazu, die Grundlage für den Aufbau dieser Strukturen zu schaffen.
Tagungsbeobachtung und Gesamtfazit des Fachtages
Am Ende des Tages gaben Sabine Stahl (HMFG, Referentin/stellv. Referatsleitung im Referat Familienpolitik, Frühe Hilfen, Kinderschutz), Miriam Zeleke (HMSI, Landesbeauftragte für Beteiligung und Förderung von Kindern und Jugendlichen) und Maike Olberding (HMFG, Referentin/ stellv. Referatsleiterin im Referat IV4 Prävention, Suchthilfe) einen kurzen Rückblick auf den Tag aus ihrer Sicht:
Der Fachtag zu den Präventionsketten in Hessen bot spannende und aufschlussreiche Einblicke in die Arbeit der Kommunen vor Ort sowie in die landesweiten Bestrebungen, das gelingende Aufwachsen von Kindern und Familien in Hessen zu fördern. Es gelang, das abstrakte Konzept der Präventionsketten durch vielfältige Praxisbeispiele greifbar und anschaulich zu machen. Ein großer Dank gilt allen, die sich dafür einsetzen, Präventionsketten in Hessen voranzutreiben, Kinderrechte zu fördern und die Gesundheitsförderung zu stärken. Das Land Hessen wird auch weiterhin daran arbeiten, die Präventionsketten in den Kommunen zu stärken und auszubauen.
Rajni Kerber (Programmleitung Präventionsketten Hessen, HAGE) schloss den Tag mit drei zentralen Schlagworten, die den Fachtag prägten:
- Pragmatismus: Trotz der Herausforderungen in der kommunalen Präventionskettenarbeit bleibt es entscheidend, pragmatisch und tatkräftig zu handeln, um Fortschritte zu erzielen.
- Kreativität: Viele Maßnahmen erfordern innovative Ansätze und den Mut, über den Tellerrand zu schauen. Die kreative Umsetzung in den Kommunen zeigt, wie wichtig diese Perspektive ist, um die Arbeit nachhaltig weiterzuentwickeln.
- Mut: Komplexe Aufgaben anzugehen, Veränderungsprozesse in der kommunalen Praxis anzuregen und neue Wege zu beschreiten, sind essenziell. Insbesondere im Einsatz für Kinder und Familien in Hessen ist dieser Mut unverzichtbar.
Der Fachtag hat gezeigt, wie wertvoll der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Landes- und Kommunalebene sind. Gemeinsam wird es gelingen, die Präventionsketten in Hessen weiterzuentwickeln und die Lebensbedingungen für Kinder und Familien nachhaltig zu verbessern.
Die Impulse und Ergebnisse des Fachtages werden von der Landeskoordinierungsstelle aufbereitet, mit den beteiligten Kommunen, Förderern und weiteren interessierten Akteur*innen reflektiert und in der zukünftigen Präventionskettenarbeit in Hessen berücksichtigt.
Wir bedanken uns bei allen Mitwirkenden und Teilnehmenden für das große Interesse an der Jahresfachtagung und den gelungenen Austausch zu kinderrechtebasierten Präventionsketten.
Die Veranstaltung wurde von der Landeskoordinierungsstelle Präventionsketten Hessen organisiert. Sie ist bei der Hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e. V. (HAGE) angesiedelt.
Das Landesprogramm „Präventionsketten Hessen – Gelingendes Aufwachsen, Kinderrechte leben“ wird durch das Hessische Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege (HMFG) und die Auridis Stiftung gefördert.
Bilder: © Fotos: HAGE/andreasmann.net
Illustration (Präventionsketten-Baum): © HAGE/Sandra Beer