nachricht

Fachtagung „Gesund altern in der Kommune – Nachbarschaft neu denken“

Rückblick auf eine Veranstaltung der Fach- und Vernetzungsstelle Senioren- und Generationenhilfe

25. November 2024
Die diesjährige Fachtagung „Gesund altern in der Kommune“ stellte das Thema „Nachbarschaft neu denken“ in den Mittelpunkt. Diskutiert wurde, welche Formen von Nachbarschaften zukunftsfähig sind und wie eine nachhaltige Nachbarschaftskultur gefördert werden kann, die das Miteinander und die gegenseitige Unterstützung stärkt.
Ein rotes und ein blaues Seil, die in der Mitte miteinander verschlungen sind


Mit einer älter werdenden Bevölkerung stehen Kommunen und lokale Organisationen vor der Herausforderung, tragfähige Modelle für nachbarschaftliche Unterstützung und solidarisches Zusammenleben zu entwickeln. 

Im Fokus der 5. Fachtagung der Fach- und Vernetzungsstelle Senioren- und Generationenhilfe standen Fragen wie: Welche Formen der Nachbarschaft sind zukunftsfähig? Was hat Nachbarschaft mit Gesundheitsförderung zu tun? Welche Rolle können Kommunen, freiwillig Engagierte und Bürger übernehmen, um die Sorgekultur in Hessen weiter auszubauen?

Die Fachtagung brachte Akteurinnen und Akteure aus Kommunen, Vereinen, Wohlfahrtsverbänden sowie freiwillig Engagierte zusammen, um gemeinsam Perspektiven und konkrete Entwicklungsansätze zu erörtern.

Eröffnet wurde die Fachtagung mit einem Grußwort von Hessens Gesundheitsministerin Diana Stolz und einem Interview mit Dr. Katharina Böhm, Geschäftsführerin der HAGE.

Die Hessische Gesundheitsministerin Diana Stolz
Dr. Katharina Böhm im Interview
Fachtagung Gesund altern in der Kommune

Die Rolle von Nachbarschaft, Kommunen und freiwillig Engagierten

Nachbarschaft als Grundpfeiler einer Sorgekultur?

Mit dem Impulsvortrag „Nachbarschaftshilfe – Voraussetzungen, Herausforderungen und Chancen“ führte Prof. Dr. Mario Rund in das Thema der Veranstaltung ein. Mario Rund ist Professor für Soziale Arbeit im Gemeinwesen am Fachbereich Soziale Arbeit der Hochschule Darmstadt, Leiter des Studiengangs Generationenbeziehungen in einer alternden Gesellschaft und Vorstand im Verein für Sozialplanung

Zentral war die Frage nach den Rollen, die Kommunen, freiwillig Engagierte und Nachbar*innen in diesem Kontext übernehmen können und sollten. Es wurde deutlich, dass die Kommunen eine wichtige Rolle als Koordinierende und Fördernde von Infrastruktur und Programmen übernehmen könnten. Freiwillig Engagierte könnten hingegen helfen, persönliche Nähe und soziale Bindungen zu stärken. 

Die Teilnehmenden des Fachtags waren sich einig, dass eine Kultur der Sorge und des Miteinanders in Hessen nur dann erfolgreich ausgebaut werden kann, wenn alle Akteure – öffentliche, private und freiwillig Engagierte – gut vernetzt und aktiv eingebunden sind. 

Einführungsvortrag Prof. Dr. Mario Rund
Einführungsvortrag
Die Rolle der Kommune: Unterstützung und Vernetzung

Kommunen stehen vor der wichtigen Aufgabe, tragfähige Sorgestrukturen zu fördern und den Aufbau stabiler Nachbarschaftsnetzwerke zu unterstützen. Dabei gewinnen gezielte Maßnahmen wie die Förderung von Nachbarschaftshilfen, Senioren- und Generationenhilfen sowie die Stärkung des Freiwilligenengagements zunehmend an Bedeutung. Denn diese bieten älteren Menschen die Möglichkeit, in ihrem vertrauten Umfeld zu bleiben und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Gleichzeitig sind sie ein unverzichtbarer Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge, insbesondere angesichts steigender Pflegebedarfe und der Zunahme hochbetagter Menschen.

Deutlich wurde, dass Kommunen, die frühzeitig in den Ausbau solcher Unterstützungsstrukturen investieren, eine wertvolle Basis für ein nachhaltiges und resilientes Gemeinwesen schaffen. Damit ermöglichen sie, dass ihre Kommune den demografischen Herausforderungen langfristig gewachsen ist und soziale Teilhabe für alle Generationen verwirklicht wird. 

QuartierPflege: ein ambulanter Dienst aus Nachbarschaft und Angehörigen

Einkaufen, kochen, lesen oder Körperpflege sind weit mehr als praktische Hilfeleistungen: Sie bieten wertvolle soziale Kontakte. Wenn vertraute Gesichter aus dem Quartier diese Aufgaben übernehmen, wird die soziale Einbindung der Menschen mit Unterstützungsbedarf gefördert und Einsamkeit verringert. Fürsorge, Hauswirtschaft und Pflege durch Menschen aus der eigenen Nachbarschaft: Kann so die pflegerische Grundversorgung auch bei Fachkräftemangel sichergestellt werden? 

Die Vorstellung des Projektes QuartierPflege durch Hannes Wenner zeigte, wie dies durch freiwilliges und bezahltes Engagement von Nachbarinnen und Nachbarn sowie Mitarbeitenden aus dem Quartier möglich ist. 

Ein Netzwerk aus drei bis sechs Nachbarinnen und Nachbarn pro pflegebedürftige Person entlastet Angehörige und stärkt die Eigenständigkeit im vertrauten Umfeld. Koordination und fachliche Begleitung übernimmt hauptamtliches Personal, und bei komplexen Pflegeaufgaben stehen weiterhin professionelle Pflegekräfte zur Verfügung. Nachbarinnen und Nachbarn können sich je nach Verfügbarkeit und Interesse in der QuartierPflege engagieren – ehrenamtlich, in Teilzeit oder Vollzeit, angestellt oder freiberuflich. So entsteht eine flexible und nahe Unterstützung, die den Menschen im Quartier zugutekommt.

Projektvorstellung von Hannes Wenner
Diskussion nach Vortrag

Drei Praxisbeispiele – Vorstellung, Austausch, Diskussion

Fachforen

Miteinander – Füreinander: Kontakt und Gemeinschaft im Alter

Soziale Isolation und Einsamkeit unter hochaltrigen Menschen sind drängende gesellschaftliche Herausforderungen in Deutschland. Besonders ältere Menschen ohne regelmäßige soziale Kontakte sind hier stark gefährdet. Die Malteser engagieren sich daher mit vielfältigen freiwilligen Diensten, um hochaltrigen Menschen im Alltag Unterstützung und Begleitung zu bieten und ihnen Teilhabe zu ermöglichen. 

Im Rahmen des Projekts „Miteinander-Füreinander: Kontakt und Gemeinschaft im Alter“, gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, bauen die Malteser bis Ende 2024 deutschlandweit 112 Standorte aus. Damit schaffen sie neue Zugangswege und Angebote, die gezielt Menschen erreichen, die von Einsamkeit bedroht sind, und leisten so einen wichtigen Beitrag zur sozialen Teilhabe und Gemeinschaft im Alter. Hilary Roger und Maike Szuppa-Neun vom Malteser Hilfsdienst e. V. stellten Aktivitäten ihres Standortes in Büdingen vor. 

Frankfurter Programm – Aktive Nachbarschaft der Stadt Frankfurt am Main

Das „Frankfurter Programm – Aktive Nachbarschaft“ präsentierten Manuela Axmann und Christine Weber von der Stadt Frankfurt am Main. Mit dem Programm werden seit 2000 die Lebensqualität in 20 Frankfurter Quartieren durch soziale Initiativen, unter Leitung des Dezernats für Soziales, Jugend, Familie und Senioren, gefördert. Ziel ist der Aufbau starker Nachbarschaften, um unter anderem die Selbsthilfemöglichkeiten der Bewohnerinnen und Bewohner zu stärken.

Vor Ort koordiniert das Quartiersmanagement Projekte, vernetzt bestehende Initiativen und motiviert zur Mitgestaltung. Träger der freien Wohlfahrtspflege betreiben Nachbarschaftsbüros als Anlaufstellen. Durch Kooperationen mit Wohnungswirtschaft, Vereinen und kommunalen Einrichtungen stärkt das Programm gezielt die soziale Stadtteilentwicklung und den Zusammenhalt im Quartier.

QuartierPflege

Fürsorge, Hauswirtschaft und Pflege durch Menschen aus der eigenen Nachbarschaft: So soll die pflegerische Grundversorgung auch bei Fachkräftemangel sichergestellt werden – durch freiwilliges und bezahltes Engagement von Nachbarinnen und Nachbarn sowie Mitarbeitenden aus dem Quartier. Im Forum zum Projekt QuartierPflege fand ein intensiver Erfahrungsaustausch mit Hannes Wenner über die konkrete Umsetzung statt. 

Praxisbeispiel
Praxisbeispiel Frankfurter Programm - Aktive Nachbarschaft
Erfahrungsaustausch zum Projekt

Austausch im Plenum

Alt werden im vertrauten Umfeld: Nachbarschaft und Gemeinschaft als zentrale Säulen

Älterwerden ist in Deutschland von großer Vielfalt geprägt – jede Lebenssituation ist einzigartig, eingebettet in Sozialräume wie Nachbarschaften, Quartiere und Dörfer. Dabei spielt das direkte Umfeld eine wesentliche Rolle für das Wohlbefinden im Alter. In einer älter werdenden Gesellschaft stellt sich die Frage, wie Nachbarschaften so gestaltet werden können, dass sie den steigenden Bedarf an Alltags- und Unterstützungsstrukturen abdecken.

Diskutiert wurde, welche Formen von Nachbarschaften zukunftsfähig sind und wie eine nachhaltige Nachbarschaftskultur gefördert werden kann, die das Miteinander und die gegenseitige Unterstützung stärkt. Festgehalten wurde, dass unter anderem niedrigschwellige Angebote der gegenseitigen Hilfe, die Förderung freiwilligen Engagements sowie die Rolle digitaler Plattformen zur Vernetzung der Bewohnenden wichtig sind. Die Teilnehmenden betonten die Bedeutung von Kooperation und Vernetzung zwischen den Akteurinnen und Akteuren, um gegenseitige Unterstützung und eine starke lokale Gemeinschaft zu fördern. 

Impressionen des Tages

Zu guter Letzt: Hören Sie mal! 

Radiosendung im Nachgang zur Veranstaltung 

Nach der Fachtagung wurde vom Hessischen Rundfunk (hr) eine Radiosendung zum Thema „Was liegt näher? Der Wert der Nachbarschaft“ mit einigen Referentinnen und Referenten der Veranstaltung produziert. In der Sendung mit Karen Fuhrmann teilen die Expertinnen und Experten ihre Einsichten, diskutieren spannende Aspekte der Nachbarschaftskultur und vertiefen zentrale Punkte der Veranstaltung. Die Sendung ist in der ARD-Audiothek verfügbar, hören Sie mal:

https://www.ardaudiothek.de

Titelbild: © peterschreiber-media - stock.adobe.com
Fotos: © HAGE/AndreasMann.net