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Die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Hessen

– Ziele, Aufgaben und ein Blick auf ihren letzten Jahresfachtag zum Thema Gesundheit und Migration

26. November 2024

Gesundheitliche Chancengleichheit ist ein zentrales Thema im öffentlichen Gesundheitswesen. Sie zielt darauf ab, allen Menschen unabhängig von ihrem sozialen Hintergrund und ihren Ressourcen, die gleichen Chancen auf ein gesundes Leben zu ermöglichen. In Hessen setzen sich verschiedene Organisationen und Initiativen für die gesundheitliche Chancengleichheit ein. Eine zentrale und vernetzende Rolle spielt dabei die Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit (KGC) Hessen. Dieser Artikel erläutert die Aufgaben und Ziele der KGC Hessen und legt dabei einen Schwerpunkt auf das Themenfeld Gesundheit und Migration, mit dem sich der letzte Jahresfachtag der KGC Hessen beschäftigte.

Die Hessische Koordinierungsstelle Gesundheitliche Chancengleichheit ist eine zentrale Anlaufstelle zur Stärkung der gesundheitlichen Chancengleichheit in Hessen. Aufgrund der hohen Bedeutung der Bekämpfung gesundheitlicher Ungleichheit wurde in Hessen, wie auch in anderen Bundesländern, eine eigenständige Koordinierungsstelle zur Stärkung der gesundheitlichen Chancengleichheit eingerichtet.

Diese Koordinierungsstellen – ebenso wie die KGC Hessen- sind eine Arbeitsstruktur und Teil des bundesweit agierenden Kooperationsverbundes Gesundheitliche Chancengleichheit, der sich für die Verbesserung der gesundheitlichen Chancen aller Menschen in Deutschland einsetzt. Dieser Kooperationsverbund ist ein deutschlandweites Netzwerk, das 2003 gegründet wurde und darauf abzielt, soziale und gesundheitliche Ungleichheiten zu reduzieren. Er fördert Strategien und Projekte zur Verbesserung der gesundheitlichen Chancen für Menschen in sozial benachteiligten Lebenslagen und setzt sich dafür ein, dass gesundheitliche Chancengleichheit als gesellschaftliche und politische Aufgabe stärker berücksichtigt wird. Zudem bündelt er Wissen zu Themen der gesundheitlichen Chancengleichheit und trägt zum bundesweiten Erfahrungsaustausch bei. Durch den Verbund profitieren die Mitgliedsorganisationen von Wissen, Erfahrungen und Good Practice-Beispielen im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention. Dazu zählen u.a. die Good Practice-Kriterien der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung sowie die Praxisdatenbank mit Projektbeispielen aus dem Themenfeld der Gesundheitsförderung.

In Hessen wird die KGC mit Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Bündnis für Gesundheit) und durch das Hessische Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege (HMFG) gefördert. Sie ist bei der Hessischen Arbeitsgemeinschaft für Gesundheitsförderung e.V. (HAGE) angesiedelt. Die HAGE setzt sich als Landesvereinigung für die Gesundheitsförderung und Prävention in Hessen ein und koordiniert sowie vernetzt Aktivitäten der Gesundheitsförderung und Prävention, entwickelt Ideen und Konzepte, veranstaltet landesweite Fachtagungen und Fortbildungen für Multiplikatoren, u. v. m. . Durch ihre Aktivitäten trägt sie dazu bei, dass Gesundheitsförderung in allen Altersgruppen und verschiedenen Lebensphasen als wichtige gesellschaftliche Aufgabe anerkannt wird und insbesondere vulnerable Gruppen Zugang zu gesundheitsfördernden Angeboten erhalten. Dabei nimmt sie auch Einfluss auf bundesweite Initiativen und trägt zur Weiterentwicklung und Verbreitung wirksamer Gesundheitsstrategien bei.

Die KGC Hessen agiert auf Grundlage des in 2015 in Kraft getretenen Präventionsgesetzes – offiziell als "Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention" bekannt. Das Gesetz zielt darauf ab, die Gesundheit der Bevölkerung zu fördern, insbesondere durch Prävention und Gesundheitsförderung in verschiedenen Lebensbereichen. Dabei legt es einen besonderen Schwerpunkt auf sozial benachteiligte Gruppen und auf die Schaffung von nachhaltigen kommunalen Strukturen, die langfristig gleiche Gesundheitschancen für alle ermöglichen. Das Präventionsgesetz bildet die gesetzliche Grundlage, um gesundheitliche Chancengleichheit als Ziel in der Gesundheitsförderung zu verankern. Die KGC Hessen setzt die Ziele des Präventionsgesetzes auf Landesebene um und spielt eine zentrale Rolle bei der Vernetzung und Unterstützung regionaler und kommunaler Akteur*innen, die sich für Gesundheitsförderung und Prävention einsetzen. Dabei engagiert sich die KGC Hessen für die Gesundheitsförderung und Prävention von Bevölkerungsgruppen in herausfordernden Lebenslagen in Hessen. Dazu zählen Personen(-gruppen), die von Armut betroffen sind, Alleinerziehende, Erwerbslose, Menschen mit internationaler Familiengeschichte, ältere Menschen u. v. m. . Sie unterstützt u. a. kommunale Akteur*innen bei der Entwicklung und dem Aufbau von integrierten kommunalen Gesamtstrategien im Kontext von Gesundheitsförderung und Prävention (sog. „Präventionsketten“) in Kommunen. Im Rahmen von Informationsveranstaltungen und Qualifizierungsangeboten möchte die KGC Hessen den Zugang zum Thema Prävention für Akteur*innen auf kommunaler Ebene erleichtern und beim Aufbau qualitätsorientierter Präventionsprojekte und -strategien gezielt unterstützen. Dabei ist der KGC Hessen das Leitmotiv „Gesundheit für alle“ besonders wichtig, um insbesondere vulnerable Bevölkerungsgruppen zu unterstützen und Konzepte zu entwickeln, die diese auch erreichen.

Die Aufgabenfelder der KGC sind: 

  • Sensibilisierung zum Thema gesundheitliche Chancengleichheit/ Gesundheitsförderung bei Menschen in herausfordernden Lebenslagen, z. B. durch Vorträge und Workshops 
  • Netzwerkaufbau und Kooperation: Die KGC Hessen schafft Plattformen für den fachlichen Austausch zwischen verschiedenen Akteur*innen aus den Kommunen und der Landesebene, um die sektorenübergreifende Zusammenarbeit und Vernetzung zu fördern. Zudem koordiniert die KGC Hessen verschiedene Netzwerke zu den unterschiedlichen Lebensphasen im Bereich der Gesundheitsförderung und veranstaltet Austausch- und Netzwerktreffen
  •  Beratung und Unterstützung von Projekten und Programmen: Die KGC Hessen berät Kommunen zum Auf- und Ausbau kommunaler Gesamtstrategien, Fördermöglichkeiten und Konzeptideen im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention 
  • Wissensvermittlung und Qualifizierung: Sie organisiert Schulungen, Workshops und Fachveranstaltungen in Präsenz und digital, um für Themen der soziallagenbezogenen Gesundheitsförderung zu sensibilisieren. Dazu zählen auch die Lernwerkstätten zu den Good Practice-Kriterien der Gesundheitsförderung.
  • Wissenstransfer und Öffentlichkeitsarbeit: Die Koordinierungsstelle stellt Informationen über gute Praxisbeispiele zur Verfügung und unterstützt den Wissenstransfer in der Gesundheitsförderung, etwa durch Publikationen, Berichte und Übersichtsdokumenten wie der Förderübersicht zu Projekten und Unterstützungsmöglichkeiten in Hessen und bundesweit.

Bei all ihren Aufgaben sensibilisiert die KGC Hessen auch für das normative Verständnis von Gesundheitsförderung sowie der Förderung von „Health in all Policies“ (HiAP) zur Förderung der gesundheitlichen Chancengleichheit. Dabei verfolgt die KGC Hessen eine umfassende Definition von Gesundheitsförderung, die auf den Leitlinien der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung basiert (World Health Organisation (WHO), 1986). Gesundheitsförderung wird hierbei als Prozess verstanden, der Menschen dazu befähigt, ihre Gesundheit selbstbestimmt zu verbessern und ihre gesundheitsförderlichen Ressourcen zu stärken und die Lebenswelt gesundheitsförderlich mitzugestalten. Lebenswelten, auch Settings genannt, können bspw. Kitas, Schulen, Arbeitsplätze und Stadtteile sein.

HiAP beschreibt einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem Gesundheit als Querschnittsaufgabe verstanden wird. Dies bedeutet, dass alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche, über alle Hierachieebenen hinweg – nicht nur der Bereich Gesundheit – Verantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung übernehmen und zusammenarbeiten, um die Gesundheit der Bevölkerung zu stärken. So wirken zum Beispiel Bildungs-, Verkehrs-, Umwelt- und Sozialressorts gemeinsam daran, gesundheitsfördernde (Lebens-)Bedingungen zu schaffen. Ein vernetztes Zusammenwirken kann dazu beitragen, dass Entscheidungen – sei es im Bildungswesen, im Wohnungsbau oder in der Verkehrsplanung – gesundheitsförderliche Auswirkungen berücksichtigen. HiAP ist damit eine Strategie zur Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit, da das Konzept darauf abzielt, durch ein Zusammenwirken verschiedener Akteur*innen nachhaltig die Strukturen (gesundheitsförderlich) zu verändern und bedarfsorientierte Angebote zu entwickeln (Böhm et al., 2020).

Zur Vernetzung der Akteur*innen aus unterschiedlichen Handlungsfeldern und zur Sensibilisierung für gesundheitsförderliche Themen veranstaltet die KGC Hessen jährlich einen Jahresfachtag in Präsenz. Dieses Jahr hat der Fachtag am 05.09.2024 das Thema Gesundheit und Migration in den Fokus gerückt und den Zusammenhang zwischen Migration, sozialen Determinanten, sozialer Teilhabe und Gesundheit in Deutschland beleuchtet. Dabei stand die Fragestellung „Wie fördern wir gesundheitliche Chancengleichheit und Integration in der kommunalen Lebenswelt?“ im Zentrum des Fachtags. 

Ziele des Fachtages waren zum einen, den Zusammenhang zwischen Migration und Gesundheit sowie ihre vielfältigen bestehenden Einflussfaktoren auf gesellschaftliche Strukturen und Prozesse aufzuzeigen und die Auseinandersetzung mit Bedarfen und Bedürfnissen von Eingewanderten und ihren Nachkommen in Deutschland. Anhand von Beispielen aus der Praxis wurden dabei denkbare Lösungswege auf kommunaler Ebene aufgezeigt. Zum anderen sollten notwendige Transformationsprozesse für eine offene, integrative und vielfältige Gesellschaft diskutiert werden. Die Veranstaltung richtete sich an Fachakteur*innen aus den Bereichen Gesundheit, Bildung, Kinder- und Jugendhilfe, Migration und Integration, Soziales und Stadtentwicklung, Jobcenter, Familienzentren, Mehrgenerationenhäuser, Vertreter*innen der Verwaltungsämter, Krankenkassenvertreter*innen, politische Entscheidungsträger*innen auf Landes- und Kommunalebene sowie an Praxis -und Kooperationspartner*innen und weitere Interessierte.

In Vorbereitung auf den Jahresfachtag hat die KGC-Hessen mit verschiedenen Expert*innen aus den Handlungsfeldern Gesundheit und Migration gesprochen und dabei wichtige Herausforderungen und Themen, die im Rahmen der Veranstaltung behandelt werden sollten, identifiziert. Die genannten Themen wurden als Schwerpunktthemen in den insgesamt sechs Fachforen am Nachmittag des Jahresfachtags diskutiert. Die ausführliche Dokumentation des Fachtages, inklusive der Präsentationsfolien der Referent*innen, finden Sie unter https://hage.de/veranstaltungen/veranstaltungsberichte/.

Zusätzlich zu den Fachforen und dem Raum für Vernetzung wurde in zwei Impulsvorträgen zu den Zusammenhängen von Gesundheit und Migration berichtet. Eine Hauptrednerin, Dr. Claudia Hövener vom Robert-Koch-Institut, betonte in ihrem Vortrag u.a., dass die Datenlage zum Thema Gesundheit und Migration immer größer wird. Jedoch seien bestehende Daten teilweise aufgrund verschiedener Faktoren nicht vergleichbar. Zudem beschrieb sie die vielschichtigen Herausforderungen in der Erreichbarkeit von Menschen mit internationaler Familiengeschichte wie Sprache, Sozialstruktur, Heterogenität, Ängste u. v. m. . Diese vielschichtigen Faktoren sollten bei der Planung und Umsetzung von Studien und (gesundheitsförderlichen) Maßnahmen berücksichtigt werden. 

Den Abschluss des Jahresfachtages bildete ein Vortrag von Frau Souad Lamroubal zum Thema diversitätssensible Öffnung der Verwaltung. Dabei ging sie u.a. darauf ein, dass komplexe Verwaltungssprache und starre Machtverhältnisse den Weg in Richtung einer diversitätssensiblen Verwaltung erschweren. Daher sind diese wichtigen Transformationsprozesse nur mit viel Zeit und Rückhalt seitens der Leitungsebene umsetzbar. 

Entsprechend ihrer Aufgaben, gesundheitliche Ungleichheiten abzubauen und sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen zu unterstützen, ermöglichte die KGC Hessen anhand von Praxisbeispielen und vertiefenden Fachforen einen differenzierten Blick auf die Herausforderungen und Bedarfe von Familien mit internationaler Zuwanderungsgeschichte und ihren Nachkommen in Deutschland. Die Veranstaltung bot den Teilnehmenden die Möglichkeit, konkrete Lösungsansätze zur Förderung der gesundheitlichen Chancengleichheit im kommunalen Lebensumfeld zu entwickeln.

Perspektivisch möchte die KGC Hessen die Inhalte des Fachtages zum Thema Gesundheit und Migration weiter vertiefen und in ihre Arbeit einfließen lassen.

Literatur

Böhm, K., Bräunling, S., Geene, R.; Köckler, H., (2020): Gesundheit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Das Konzept Health in All Policies und seine Umsetzung in Deutschland. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden.

World Health Organisation (WHO) Europa (1986): Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung. Online verfügbar unter https://apps.who.int/iris/handle/10665/349654, zuletzt geprüft am 18.10.2024.